Kolumne: Installationspflicht mal anders – Die neue Download-Welle
Tjark Michael Wewetzer, am 04.11.2017, Seite 1 von 1

Ich will nicht leugnen, dass die Switch meine Erwartungen seit dem Release übertroffen hat. Als das Gerät vergangenes Jahr angeteasert wurde, hatte ich noch ernsthafte Zweifel daran, dass das Konzept überhaupt aufgehen würde. Immerhin scheiterte Konkurrent Sony bereits zweimal daran, einen leistungsfähigeren Handheld erfolgreich in westlichen Gefilden zu vermarkten. Bedenken wie Akkuleistung, tatsächliche Konsolenleistung und das Damoklesschwert Dritthersteller-Support, welches mitunter die Wii U ins Aus katapultierte, stimmten mich sorgenvoll. Doch gerade jetzt, wo Woche für Woche mindestens zehn Spiele in den eShop rollen, wirken besagte Sorgen fast schon albern. Eine Sache konnte die Switch jedoch augenscheinlich tatsächlich nicht abschütteln: Die Sache mit dem Speicher.
Es war natürlich irgendwie offensichtlich, dass mit dem Konzept eines Heimkonsolen-Handheld-Hybriden die sonst so verbreitete Disc-Technologie nicht ohne Probleme umsetzbar ist. Dass die Silberlinge im Mobilspielsegment eher schlecht als recht funktionieren, hat selbst Sony mit den alles andere als universellen Universal Media Discs (UMDs) für die PSP bewiesen und sattelte mit der Vita prompt auf Module um. Also blieb Nintendo in dieser Hinsicht wohl kaum eine Option, zumal der Trupp ja mit den Game Boys und DS-Systemen bereits reichlich Übung auf dem Gebiet hat. Nur stellte sich mir da im Angesicht moderner Speicherplatzverschlinger eine Kernfrage: Wie sieht es mit der Kapazität der Karten aus? Werden topaktuelle HD-Erzeugnisse wirklich ohne Probleme auf die Switch-Module pressbar sein oder stößt das Konzept hier an seine Grenzen? Auch hier kann ich wieder nur Sony als wunderbar abschreckendes Beispiel aufführen. Vita-Module fassen nämlich nur bis etwa 3.5GB an Daten, was schon so manches Mal zu Qualitätseinbußen oder esoterischen Notlösungen geführt hat. So sind bei Dranganronpa V3 und der Sly Trilogy die animierten Zwischensequenzen teils sehr grob komprimiert worden, während Titel wie World of Final Fantasy oder BlazBlue: Chronophantasma Extend ganze Spielinhalte als kostenlose Downloads im PSN-Store auslagern.

Das hat alles nicht mehr mit auf das Modul gepasst.
Mittlerweile dürfte klar sein, welche Methode bei der Switch gewählt wurde. Ihr habt sie womöglich schon auf der Verpackung von NBA 2K18 erspäht oder in Bezug auf WWE 2K18, L.A. Noire oder Doom mitbekommen. Auch bei Nintendos neuem Baby lautet die Lösung des Speicherplatzproblems, dass selbst Modulkäufer zum Download gezwungen werden. Und das sind nicht einmal kleine Datenmengen, die im Switch-Speicher oder idealerweise auf einer richtig großen microSD-Karte Platz nehmen müssen! Wer Team Bondis Ermittlerabenteuer im Los Angeles der 50er Jahre auf der Switch erleben möchte, muss sich auf einen 14GB-Download einstellen. Für WWE 2K18 werden sogar satte 23GB fällig. Nun spart man durch den Kauf der Einzelhandels-Fassung tatsächlich noch an SD-Karten-Platz. Die eShop-Version von L.A. Noire soll beispielsweise 29GB beanspruchen. Das ist schon ein bedeutender Unterschied und zumal auch eine Größe, die man nicht einmal mehr im Systemspeicher der Konsole selbst unterbringen kann. Dennoch zeichnet sich dadurch ganz schnell ab, dass man über kurz oder lang nicht ohne ausreichend große microSD-Karte im Gerät auskommt – völlig gleichgültig, ob man nun auf Module setzt oder sich voll und ganz dem eShop verschrieben hat.
Das ist insofern schade, weil ich dadurch jetzt das Gefühl kriege, selbst beim Erwerb der Box-Version nicht alles in der Hand zu halten. Vielmehr noch: Statt am Abend gemütlich das Spiel in den Modulschacht zu schieben, muss ich nun auch auf der Switch erst einmal eine „Zwangsinstallation“ hinter mich bringen. Eine Installation, die zudem noch an die Geschwindigkeit meines ohnehin nicht sonderlich flotten Internets gebunden ist. Und da dachte ich schon, dass PS4-Spiele, die sich erst nach dem ersten Spielstart tatsächlich installieren, nervig seien! Zumal finde ich es beunruhigend, dass die Vervollständigung meines Exemplars von der Verfügbarkeit des Downloads abhängig ist. Nur zu (un)gerne erinnere ich mich daran, dass ich vom Story-Modus aus BlazBlue: Chronophantasma Extend auf der Vita die erste Woche nichts hatte, weil der eigentlich zum Launch versprochene Download-Inhalt aufgrund eines technischen Patzers nicht zu haben war. Wie das dann übrigens erst mit der vermutlich unausweichlichen Einstellung der Online-Dienste in ferner Zukunft aussieht, möchte ich mir noch gar nicht ausmalen. Mit freundlichen Grüßen an den 2019 schließenden Wii-Shop!

Irgendwann wird es hier eng. Sehr eng.
Wobei das Problem eigentlich nicht an den verfügbaren Modulgrößen liegen sollte. Nintendo bietet angeblich ausreichend große Karten für gewichtigere Titel an. Nur versuchen gerade die größeren, immer noch dezent vorsichtigen Dritthersteller natürlich, an allen Ecken und Enden Kosten zu sparen. Dann wählt man lieber eine deutlich günstigere, kleine Version und lässt den Nutzer den Rest herunterladen, statt auf unprofitabel großen Modulen sitzen zu bleiben, die dann doch wieder keiner kauft. Einfach groß die Spiele runterskalieren und alles bis zur Komplettverpixelung der letzten Videosequenz zu komprimieren ist ebenfalls nicht drin, denn Switch-Spieler haben trotz des Leistungsunterschieds zwischen Nintendos Maschine und den aktuellen Konsolen von Sony und Microsoft immer noch den Anspruch, möglichst gleichwertige Erlebnisse auf der Plattform ihrer Wahl zu erhalten. Es ist eine ziemlich üble Zwickmühle, bei der man sich wohl schlussendlich für das kleinere Übel entschieden hat – ein kleines Bisschen PR-Schaden aufgrund des Download-Zwangs, der sich dafür aber immerhin nicht zu sehr auf die Finanzen auswirken sollte. Umgekehrt kann natürlich genau diese Attitüde dazu führen, dass sich mehr Switch-Besitzer den Nintendo-Versionen dieser Großtitel abwenden und stattdessen zu anderen Fassungen greifen. Man erschafft sich eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Doch was auch immer nun der Grund sein mag, für mich ist das jedenfalls eine eher ernüchternde Entwicklung. Bislang bleiben die Datengrößen für Spiele in meinem Interessenfeld glücklicherweise überschaubar. Mein größtes Switch-Spiel ist Fire Emblem Warriors, das mit seinen rund 13GB gegen die Schwergewichte mancher Dritthersteller fast schon winzig wirkt und in der Modulfassung nur für Updates und DLC Extra-Platz benötigt. Trotzdem wird über kurz oder lang mal ein Titel dabei sein, bei dem auch ich mich wohl auf diese Hybrid-Lösung aus Spielmodul mit Installationsdatei und Download-Ergänzungen im zweitselligen Gigabyte-Bereich einstellen muss. Es sei denn natürlich, die größeren Kapazitäten werden auf Dauer für Publisher erschwinglicher. Immerhin lässt sich die Switch in Bezug auf Speicher relativ kostengünstig nachrüsten – ganz im Gegensatz zur PS Vita von Sony. Ich fände es jedoch ohne jeden Zweifel schöner, wenn ich nicht noch zusätzlich zu Modulen auch noch microSD-Karten jonglieren müsste.
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