Sonstiges: Mario Kart Tour – Der Smartphone-Missions-Racer mit Spaßbremsen
PortableGaming-Redaktion, am 13.10.2019, Seite 1 von 2

Seit Nintendo uns auf dem DS mit dem Missionsmodus von Mario Kart DS segnete, lamentierten Fans mit jedem neuen Serienableger, dass diese Idee nie wieder aufgegriffen wurde. Dabei war sie doch so gut! Kurze Sonderrennen mit speziellen Zielen, die sich perfekt zwischendurch einschieben lassen und unweigerlich auch dazu führen, dass man seine Fahrkünste auf eine neue Art perfektioniert. Die erzielbaren Ränge brachten zudem auch ordentlich Wiederspielwert rein, schließlich dürften nur die wenigsten Raser alle Aufgaben beim ersten Anlauf mit drei Sternen meistern. Es gab sogar spezielle Bosskämpfe! Insgesamt also ideal für unterwegs und vielleicht auch deswegen in den Folgespielen, von denen zwei der drei für Heimkonsolen konzipiert waren, unter den Teppich gekehrt worden. Aber hey, Nintendo wollte ja auch verstärkt in den Smartphone-Spielemarkt einsteigen und als ein Mario Kart-Mobile-Ableger angekündigt wurde, kam eine gewisse Vorfreude unter den Fans auf. Doch wie beim böswilligen Flaschengeist, der den schwammig formulierten Wunsch auf unsägliche Weise verzerrt, kommt Mario Kart Tour mit einigen bösen Spielspaßbremsen daher, die das unter der Haube eigentlich vielversprechende Spiel gewaltig herunterziehen.
Mit einer Checkliste um die Welt
Nach einem kurzen Tutorial, welches die ungewöhnliche Steuerung erklärt, geht es direkt mit der aktuellen Saison los. Aufgeteilt in mehrere Cups gilt es, jeweils drei Rennen und eine Abschluss-Herausforderung zu meistern. Dabei erspielte Sterne werden zum Freischalten weiterer Meisterschaften und gelegentlicher Belohnungs-Meilensteine benötigt. Klingt simpel, nicht? Für den Fortschritt ist die eigentliche Rennplatzierung allerdings nur sekundär von Bedeutung. Tatsächlich geht es in jeder Renn-Partie um den Highscore, denn nur so verdient man möglichst viele der fünf Sterne pro Stufe. Die Punktzahlen fahrt ihr ein, indem ihr besondere Manöver wie Sprünge, Gegnerabschüsse oder Drift-Turbos ausführt – also im Prinzip alles, was man eh für den Sieg tun würde. Und natürlich gibt es auch je nach Halbzeit- (jedes Rennen dauert nur zwei statt der für Mario Kart üblichen drei Runden) und Endplatzierung einen nicht zu unterschätzenden Punktebonus. Ferner sahnt man mehr ab, wenn man diese Aktionen auch noch in einer schmucken Kombo verkettet. Auf diese Weise fühlt man sich tatsächlich dazu motiviert, an seinen Fahrkünsten zu feilen und zu schauen, wie man den Lauf eventuell noch optimieren kann. Mit dem gepflegten Multiplayer-Chaos, für das Mario Kart generell bekannt ist, hat dies zwar recht wenig am Hut, doch mangels tatsächlichem Mehrspielermodus zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels fällt dies jetzt nicht so sehr ins Gewicht.
Moment mal, das Spiel sucht doch bei der Auswahl eines Rennens nach anderen Spielern. Wieso ist da kein Multiplayer mit an Bord? Wie für Smartphone-Titel üblich werden die Gegner leider nur simuliert und mit den Namen anderer Leute versehen. Das ist natürlich enorm enttäuschend, da die Reihe primär für ihre hitzigen Item-Schlachten unter menschlichen Mitspielern bekannt ist, andererseits aber auch speziell für die mobile Datennutzung nicht ganz verkehrt – wer möchte schon sein Datenvolumen allein für Mario Kart verballern? Ein Platzhalter-Icon im Hauptmenü schürt außerdem zumindest Hoffnung auf eine richtige Mehrspieler-Option, die schlichtweg später nachgereicht wird. Ein indirektes Kräftemessen unter Spielern findet sich zumindest dennoch, denn im Wochentakt wird einer der Saison-Cups zum Schauplatz einer Highscore-Jagd. Innerhalb von kleineren, zufälligen Gruppen dürfen dann alle Teilnehmer zeigen, wie viele Punkte sie aus den Stages herauskitzeln können, um am Ende mit Rangaufstiegen, Münzen und/oder Rubinen entlohnt zu werden. Theoretisch sollen höhere Ränge mit besseren Belohnungen locken, zumindest zwischen den von mir gespielten Rängen 1 und 7 besteht jedoch kein Unterschied. Wenn es also Unterschiede gibt, treten die wohl ähnlich wie bei der Arena von Fire Emblem Heroes in Blöcken auf.
Punktwettstreit mit Hindernissen
Wer viele Punkte einfahren möchte, muss natürlich sein Kart unter voller Kontrolle haben und das ist leider alles andere als einfach. Mario Kart Tour lässt euch zu Beginn aus zwei verschiedenen Steuerungsmethoden wählen: die normale Lenkung und die Drift-Steuerung. Letztere wird dabei vom Spiel empfohlen, wohl auch weil man nur so den nützlichen und eigentlich auch praktisch essenziellen Drift-Turbo zur Verfügung hat. Dummerweise steuert sich Tour somit komplett anders, als man es von Mario Kart insgesamt gewohnt ist. Dass es keine Beschleunigungstaste gibt und alle Fahrzeuge automatisch losdüsen ist dabei noch das geringste Problem. Vielmehr stört, dass man durch zentrales Tippen mit anschließender Wisch-Bewegung nach links oder rechts lenkt. Weil das Kart beim Tippen zunächst einmal springt und erst nach der Landung auf Richtungseingaben reagiert, fühlt sich die Lenkung einfach nicht so rund an, wie man es gerne hätte. Das Resultat: In den ersten Rennen wird man unweigerlich gegen so ziemlich jede Wand krachen und wie mit 3,0 Promille durch die Gegend schlingern. Man kann dem ein wenig entgegenwirken, indem man die Bewegungssteuerung aktiviert und so selbst beim Drift-Setup noch durch Geräteneigungen normal lenkt, doch selbst dann macht einem die träge Kamera einen Strich durch die Rechnung. Dadurch sieht man schlichtweg nicht, wie scharf man die Kurve nun nimmt, kracht in ein Hindernis und regt sich einfach nur auf. Die standardmäßig aktivierte Schlausteuerung verhindert zumindest, dass man insgesamt von der Strecke abkommen kann, aber selbst mit deaktivierter Lenkhilfe wird man vielerorts noch spürbar auf Kurs gehalten – wohl ein stilles Zugeständnis dafür, dass die Steuerung einfach nicht so geschmeidig funktioniert. Freundliche Grüße gehen übrigens an die Koopapanzer-Felsen vom N64 Koopa-Strand raus, die ich mehrfach über den längeren Weg umfahren habe, weil mich die Lenkhilfe nach einem Zusammenstoß dort entlangführen wollte.




Das Glücksspiel im Rennen…
Aber was mache ich euch eigentlich vor. Ihr habt sicherlich schon vielerorts darüber gelesen und wundert euch nun, wann ich endlich auf das eine große Thema von Mario Kart Tour zu sprechen komme: Das Monetarisierungsmodell und wie es sich auf das Spiel auswirkt. Denn abseits des noch fehlenden Multiplayers und der (um es freundlich auszudrücken) gewöhnungsbedürftigen Steuerung klingt dies ja durch die Missionsstruktur eigentlich immer noch nach einem netten Zeitvertreib für zwischendurch. Blöderweise legt sich das Spaßgefühl im zunehmenden Saison-Verlauf stetig stärker. Mit jedem weiteren Cup werden nämlich auch die Punkteanforderungen höher und spätestens bei den letzten Herausforderungen sieht man kein Land mehr, wenn man gewisse Anforderungen nicht erfüllt – und leider macht „tatsächliches Renngeschick“ frustrierenderweise nur einen geringen Anteil der Rechnung aus.
Stattdessen gibt es für jede Rennmission bestimmte Fahrer, Karts und Gleiter, die euch gewisse Vorteile bringen. Ein bevorzugter Charakter erhöht die Menge an Items, die ihr pro erwischter Box erhaltet, während die Zusammenstellung des fahrbaren Untersatzes über Punkte-Boni entscheidet. Klar klingen die im Optimalfall erreichbaren doppelten Aktionspunkte und dreifachen Kombo-Boni zunächst nach nicht gerade viel, doch im Laufe des Rennens läppert sich das schnell. Wirklich absurd wird es jedoch, wenn die Fahrer selbst in die Rechnung aufgenommen werden. Das tatsächlich weniger für die zusätzlichen Items an sich, denn speziell wenn man sich im vorderen Teil des Fahrerfeldes aufhält, bekommt man hierbei eh mehr Münzen als nutzbare Gegenstände untergeschoben. Nein, vielmehr geht es um das Partyzeit-Feature: Spuckt euch die Item-Kiste drei gleiche Werkzeuge aus, erhaltet ihr einen vorübergehend unendlichen Vorrat ebendieser, die sich im Dauerfeuer einsetzen lassen – und mit jedem Einsatz, egal ob nun mit einem Offensiv-Item auch etwas getroffen wird oder ihr beispielsweise den Herz-Schild von Peach und Daisy heraufbeschwört, hagelt es Punkte. Zu Beginn braucht man derartige Scorespender nicht, doch im letzten Drittel der Saison gibt es ohne diese realistisch betrachtet keine Chance, die für fünf Abschluss-Sterne notwendigen Beträge einzufahren. Und selbst dann kann man immer noch scheitern, weil man einfach nicht das Glück der richtigen Party-Items hatte oder von den KI-Gegnern zu sehr in die Mangel genommen wurde. Viel mehr als sonst entscheidet hier also das Item-Glück über Erfolg oder Misserfolg und das nervt nach mehrfachen Anläufen ungemein.
…und bei der Ausstattung
Tja, und wie erhält man nun die ganzen Fahrer und Karts? Primär auf zwei Arten: Im Münz-Shop mit täglich wechselnden Angeboten oder über die Rubin-Röhre – und blöderweise ist keine der beiden Optionen so wirklich optimal. Der Münz-Shop leidet unter den exorbitant hohen Preisen im Vergleich zu den im regulären Spielverlauf einfahrbaren Münz-Mengen. Selbst wenn man sich bei den Rennen gut schlägt und auf seinen Münzstand aufpasst, kann man täglich gerade einmal bis zu 300 einsacken. Kein sonderlich großer Betrag, wenn man für seltene Karts und Gleiter je 2000 Münzen zu berappen hat und Charaktere gleicher Raritätsstufe sogar 3000 kosten. Rennfahrer höchster Seltenheit legen nochmal eine Dreistigkeitsschippe drauf und kosten 12000 Münzen. Die Quasi-Questbelohnungen, die man durch das Ausfüllen einer Minimissions-Bingokarte erhält, helfen dabei herzlich wenig, betragen diese doch auch nur 50 bis 100 Münzen. Bleibt also nur noch die Röhre und hier wird Echtgeld fällig. Wollt ihr im Rubin-Shop die nötige Premium-Währung erwerben, braucht ihr bereits 4,58 Euro für eine (!) Ziehung. Bei der Zehner-Ziehung, bei der ihr ach so gnädigerweise den Rubinwert einer rabattiert erhaltet, klettert die angebliche Mikrotransaktion sogar auf happige 29,99 Euro (!!!) hoch. Und ist ganz im Sinne des Glücksspiels natürlich nicht garantiert, dass ihr auch wirklich etwas Praktisches oder überhaupt Neues aus dem Deal herausbekommt. Anders als bei vielen anderen Zufallsmechaniken in diesem Stil ist nicht einmal ein Mindestseltenheitsgrad gewährt – ihr könnt also rund 30 Euro verballern, nur um mit Duplikaten der niedrigsten Seltenheitsstufe zugemüllt zu werden. Besagte Duplikate sind zwar nicht komplett sinnfrei, denn sie dienen zur Hochstufung eurer Objekte und Figuren und somit der Steigerung ihrer Punkteffizienz, doch hilft dies alles nichts, wenn man einfach nicht das bekommt, was man für die aktuelle Aufgabe tatsächlich auch benötigt. Zum Anfixen gibt übrigens auch Mario Kart Tour natürlich eine Hand voll Rubine so heraus, nur sind die Beträge dieser Freebies ein schlechter Witz. Die Premium-Währung lässt sich übrigens auch alternativ in Münzen umwandeln, was in Form eines Minispiels geschieht und außerhalb der üblichen 300-Münz-Restriktion geschieht. Aber auch hier müsst ihr mindestens 4,58 Euro oder für die „maximale Effizienz“ sogar 16,28 Euro berappen und das ist offen gestanden nicht minder hart.




Doch warum nur ein Monetarisierungsmodell einbauen, wenn man auch zwei haben kann? Jepp, zusätzlich zur Lootbox bietet Mario Kart Tour auch noch ein Abomodell. Kein Witz. Für 5,49 Euro im Monat erhaltet ihr Goldstatus für euer Profil und „profitiert“ von zusätzlichen Belohnungen bei gewissen Saison-Meilensteinen, einer exklusiven Minimissions-Bingokarte und dem 200ccm-Geschwindigkeitsmodus. Obwohl es für die Rennklassen 50, 100 und 150 unterschiedliche Punkteausschüttungen für die Endplatzierung gibt, sind die Bonuspunkte der 200er-Klasse identisch mit denen der 150er Stufe – zumindest hier konnte man sich ein Pay-to-Win-Element verkneifen. Die Bingokarte ist jedoch schlichtweg notwendig, wenn man wirklich alle Saison-Boni abgreifen möchte, denn mit den regulär verteilten Sternen kommt man absolut nicht an alle Geschenkboxen heran. Auch wenn in den letzten Kisten für Spieler ohne Abo nur jeweils 100 Goldmünzen warten, ist es trotzdem ungemein fies, eine Erreichbarkeit vorzugaukeln. Stichwort „Geschenkboxen“: Ganz im Stile des sich langsam etablierenden Battle-Pass-Systems erhaltet ihr mehr Extras aus ebendiesen Saison-Meilensteinen, die insgesamt einfach ungemein wertiger sind als das, womit man als Nicht-Abonnent abgespeist wird – inklusive mehr Rubin-Zuschüssen.
Aber hey, dafür fehlt zumindest eine andere Unsitte von Smartphone-Spielen: Das Energie-System! Ihr könnt euch den lieben langen Tag an alle Herausforderungen wagen und versuchen, eure Punktzahlen zu verbessern. Ganz ohne Limits geht es dann jedoch trotzdem nicht. Dass die pro Tag im normalen Rennverlauf erspielbaren Münzen auf 300 eingegrenzt sind, habe ich ja weiter oben bereits angesprochen. Es gibt jedoch noch eine Beschränkung, die sich auf die Aufrüstbarkeit eurer Charaktere und Fahrzeugbestandteile auswirkt. So lassen sich diese durch allgemeine Nutzung oder den Einsatz von im Münz-Shop erworbenen Tickets in ihrer Leistung verbessern, was im Prinzip nicht mehr als einen Punkteboost zum Rennstart bedeutet. Seltenere oder höherstufige Objekte und Figuren verfügen dabei über höhere Leistungspunkt-Obergrenzen, sie alle lassen sich pro Tag jedoch nur begrenzt aufmotzen. Habt ihr das Limit erreicht, müsst ihr bis zum nächsten Tag warten, bis sich die Partien wieder vollständig lohnen. Da die Grinderei jedoch ziemlich ermüdend sein kann, gerade wenn man sich an ein und der selben Stufe ständig die Zähne ausbeißt, ist diese Einschränkung irgendwo auch Willkommen, um die App irgendwann mal aus der Hand zu legen – oder gar komplett vom Handy zu kicken.
Sonntagsfahrer: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de
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