Wenn Kreaturen der Unterwelt ihr Unwesen treiben und eine einst friedliche Stadt praktisch menschenleer verrottet, dann braucht es eine Fachkraft, die mit dem dämonischen Ungeziefer ordentlich den Boden aufwischt. Jemanden wie Victor Vran, der ohnehin gerade in der Gegend ist und dank seiner Dämonenkräfte die dunkle Brut zudem mit ihren eigenen Waffen schlagen kann. Nach Titan Quest landete mit Victor Vran: Overkill Edition nun das zweite Action-Rollenspiel mit deutlichen Zügen von Diablo auf der Switch – und das noch kurz bevor der Beutejäger-Platzhirsch höchstpersönlich auf der Konsole Platz nimmt. Doch es wäre mehr als kurzsichtig, das Werk aus dem Hause Haemimont Games (Tropico 3) mit Blizzards Vorbild zu vergleichen. Es hat nämlich durchaus eigene Züge, die es gleichermaßen spielenswert wie gelegentlich frustrierend machen.
Verflucht nochmal! Schauplatz des rund 15 bis 20 Stunden langen Abenteuers ist Zagoravia, eine mittelalterliche Stadt mit leichten Steampunk-Zügen, die beileibe bessere Zeiten gesehen hat. Auf den einst belebten Straßen tummeln sich nur noch Untote herum, Spinnen suchen die prachtvollen Gärten des Königshauses heim und von den vielen Höhlen und Einrichtungen möchte ich gar nicht erst anfangen. Als Mitglied des Jäger-Ordens ist es für Victor eigentlich Ehrensache, hier nach dem Rechten zu sehen. Er nimmt den Auftrag der Königin Katarina jedoch erst an, nachdem er sich der Schwere der Lage versichert hat – und wird dabei schnurstracks in ein Abenteuer verstrickt, das nicht nur die wahre Natur des hiesigen Monsterbefalls zum Ziel hat, sondern ihm auch ein paar persönliche Antworten liefert. Sofern er sie denn angesichts der Stimme in seinem Kopf, die ihn ständig mit eingeworfenen Kommentaren piesackt, auch mitbekommt.
Trotz des recht ernst wirkenden Settings samt enstprechend gewichtiger, wenngleich eher mittelmäßig präsentierter Dialoge hat Victor Vran durchaus eine humorvolle Note und lässt sich zum ein oder anderen Kalauer hinreißen. Gerade die Stimme, die in den Untertiteln übrigens tatsächlich schlicht als solche bezeichnet wird, witzelt den lieben langen Tag über Victors nicht vorhandenes Liebesleben oder die geldgierige Natur der Jäger. Die Gags sitzen jedoch leider nicht immer und bedienen sich teilweise Popkultur-Anspielungen, die bereits ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben und somit mehr Kopfschütteln als Schmunzeln provozieren. Dass ein Pulk tanzender Zombies den Gangnam-Style nachahmt, ist mir erst deutlich später bewusst geworden. Trotzdem lockern derartige Scherze das ernste Setting recht gut auf, zumal man angesichts von Einblendungen der Marke „Overkill“ und eines bestimmten Zusatzszenarios eh nicht viel Wert auf Immersion gelegt hat.
Vicky und die starken Hämmer Nein, stattdessen liegt der Fokus auf Action und Beute! Jedes Gebiet ist dabei grob in eine Haupt-Karte und mehrere kleine Unter-Areale unterteilt. Eine zusammenhängende Karte als Ganzes, die man komplett durchmarschieren könnte, gibt es zwar nicht, dafür könnt ihr euch jederzeit zurück ins als Basis dienende Schloss zurückteleportieren, um von dem dortigen Lageplan aus das nächste Stück Land anzusteuern. Sogar auf Streifzügen bereits aufgedeckte Dungeons lassen sich so direkt ansteuern – ideal, wenn man sich zur Vorbereitung noch einmal beim Händler im Lager rüsten möchte, den gewaltigen Fußmarsch dorthin jedoch nicht erneut auf sich nehmen will. Die Groß-Gebiete sind nämlich bei weitem nicht ohne und laden mit diversen versteckten Gassen und Schätzen geradezu zum Erkunden ein. Dies wird vor allem durch die für jedes Areal verfügbaren Herausforderungen gestärkt. Beim Betreten eines jeden Ortes listet euch das Spiel fünf spezielle Aufgaben, für deren Erfüllung Gold, Erfahrungspunkte oder Ausrüstungsobjekte winken. Das kann etwas einfaches wie das Auspüren vierer versteckter Schatztruhen oder erledigen von 20 Skeletten sein, es gibt jedoch auch kniffligere Aufgaben wie das Ausschalten eines Bossgegners innerhalb eines knappen Zeitlimits oder das Bekämpfen bestimmter, kniffliger Gegner, ohne dabei auf Heiltränke oder Dämonenkräfte zurückzugreifen. Im Großen und Ganzen sind die Challenges dennoch optional und können getrost ignoriert oder für einen späteren Anlauf mit besserer Bewaffnung aufgehoben werden. Ein netter Zusatzanreiz: Nach Spielabschluss werden noch härtere Herausforderungen freigeschaltet, an denen ihr euch die Zähne ausbeißen könnt.
Dass es bei den Streifzügen durch die Landschaft auch mal zum Kampf kommen wird, sollte somit wohl gut erkennbar sein. Victor ist zum Glück ziemlich flink auf den Beinen und flexibel noch dazu. Anstatt ihn auf eine bestimmte Charakterklasse mit begrenzter Waffenwahl einzuschränken, kann er frei aus sämtlichen Kampfwerkzeugen auswählen. So könnt ihr etwa Wellen von Spinnengegnern mit einer Sense zurechtstutzen oder Geister mit dem Elektro-Gewehr im besten Ghostbusters-Stil wieder ins Jenseits befördern – wahlweise direkt hintereinander ohne großes Menü-Wühlerei, denn nach ein paar Stufenaufstiegen kann Victor zwei Waffen gleichzeitig ausrüsten, zwischen denen mit der R-Taste gewechselt wird. Kombiniert mit der Tatsache, dass der Dämonenjäger nicht nur eine Ausweichrolle hinlegen, sondern auch noch springen kann, kommt so ein äußerst dynamischer Spielfluss zustande. Die Herausforderungs-Quests und Gegner-Konstellationen regen zudem stets zum munteren Wechsel der Bewaffnung an, denn manche Feinde lassen sich mit bestimmten Schlagwerkzeugen deutlich besser vernichten als mit anderen. Noch mehr Schwung kommt durch ausrüstbare Dämonenkräfte, die sich gelegentlich unter der Beute befinden, sowie Bomben und Tränke ins Spiel. Gerade die vielfältigen Zauber erlauben erstaunlich viele Strategien, die sich bei manch heftigerer Konfrontation als lebensrettend erweisen können.
Trotzdem machen sich nach einigen Stunden Spielzeit schwächen an der generellen Kampfstruktur bemerkbar. So wird Victor beispielsweise nur selten spürbar stärker und selbst Ausrüstungs-Upgrades ändern daran nicht viel – die Gegner werden gefühlt schlichtweg auf ein vergleichbares Niveau skaliert. Auch verfügt jede Waffe über exakt drei festgelegte Fähigkeiten, auf die ihr das ganze Spiel über zugreift. Die immergleichen Feinde mit den immergleichen Kombos auf die Matte zu schicken, wird irgendwann leider doch etwas alt. Und ja, an Monster-Variantenreichtum mangelt es Victor Vran leider ebenfalls. Grob kategorisiert gibt es vielleicht sechs Gegner-Typen, von denen einige zudem durch äußerst nervige Eigenschaften auffallen. Untote stehen beispielsweise nach erstmaligem Erlegen direkt wieder auf, wenn man sie nicht per Overkill niedergestreckt hat. Vampire wiederum verlassen sich gar nicht erst auf solchen Unsinn und verfügen direkt über einen riesigen Trefferpunkte-Vorrat. Das streckt manche Konfrontationen ungemein in die Länge und sorgt eher für Eintönigkeit.
Jenseits von Zagoravia
Aber es muss doch Mittel und Wege geben, den Dämonenjäger zu stärken! Tatsächlich gibt es die, auch abseits des regulären Beute-Erwerbs. Über Transmutationen lassen sich etwa Gegenstände einer Seltenheitsstufe zu einem zufälligen, neuen Objekt derselben oder höheren Klasse verschmelzen. Alternativ nutzt ihr den Fusionsapparat dazu, bestehende Waffen mit passiven Attributen oder schlichtweg mehr Angriffskraft zu stärken. Oder ihr macht fleißig von den Schicksalskarten Gebrauch, die Victor diverse Boni wie Explosionszauber beim Erzielen von kritischen Treffern oder das Entziehen gegnerische Lebensenergie verleihen. Doch auch dies führt leider nicht zu den großen, spürbaren Schüben, die man im Laufe seiner Streifzüge gerne sehen würde.
Können denn wenigstens die Zusatzkampagnen für Abwechslung sorgen? Zumindest in einem Fall schon. Motörhead: Through the Ages ist eine wunderbare Hommage an die Band, die euch durch drei recht große Hauptgebiete samt kleinerer Unterkarten führt, welche allesamt in irgendeiner Form auf den musikalischen Erzeugnissen der Gruppe basieren. Natürlich kommt dabei auch der Soundtrack nicht zu kurz: An Rock-Monumenten eingeleitete Überlebenskämpfe werden stilecht von Motörhead-Liedern begleitet, die erst als Instrumental-Version beginnen und sich Welle für Welle zu ihrer vollen Pracht aufbauen. Mit gerade mal fünf bis zehn Stunden Spielzeit mag diese Kampagne noch kürzer ausfallen, dafür fühlt sie sich aber auch nicht furchtbar langgestreckt an. Fractured Worlds empfand ich hingegen als eintöniges Füllmaterial. Auch hier gibt es eine kompakte Geschichte zu erleben, der Hauptreiz liegt jedoch in den prozedural generierten Herausforderungen, die bei jedem Betreten einer Ebene neu zusammengestellt werden. An sich eine nette Idee, um für etwas Langzeitunterhaltung zu sorgen, nur fehlt nach wie vor das Gefühl, dass Victor wirklich bemerkbar stärker wird – und damit verkommen die zufälligen Irrgärten zu einem sehr eintönigen Vergnügen.
Bis dass die Bildrate in die Knie geht!
In technischer Hinsicht merkt man leider recht schnell, dass sich der Jäger mit dem schmucken Hut nicht so recht daheim fühlt. Die stilisierte 3D-Optik mit leichtem Comic-Stil kommt zwar auch so gut rüber, nur leider neigt das Spiel in turbulenteren Situationen gerne mal zu kleineren Rucklern. Richtig schlimm empfand ich es speziell bei der Motörhead-Erweiterung, wo stellenweise sogar die Musik unter den Framerate-Einbrüchen litt. Wohlgemerkt wurde in meinem Fall primär im Handheld-Modus gespielt; kleinere Test-Runden am TV-Bildschirm liefen zumindest etwas rundern, wenngleich noch immer nicht aalglatt. Immerhin halten sich die Ladezeiten weitestgehend in Grenzen, wenn man mal von Factured Worlds absieht. Die prozedural generierten Ebenen brauchen nämlich gerne mal eine Minute, bis sie für euch bereit sind. Bei einer Kampagne, deren Gebiete auf häufige Wiederholung ausgelegt sind, fällt das doch sehr stark ins Gewicht.
Fazit: Auf der einen Seite ist Victor Vran: Overkill Edition nicht der Diablo-Lückenfüller geworden, den ich haben wollte. Dafür störe ich mich zu sehr am fehlenden Gefühl des Fortschritts, da Victors Stärke das ganze Spiel über auf einem relativ gleichförmigem Niveau bleibt und die an Waffen gebundenen Skill-Sets komplett feststehen. Außerdem empfand ich einen Großteil der ohnehin recht wenigen Gegner-Arten dank ihrer jeweiligen Sondereigenschaften eher als nervtötend anstatt fordernd. Und doch hat es mich bis zum Abspann vor die Switch fesseln können und zumindest zu einem direkten, ersten Versuch an den Elite-Herausforderungen nach Spielabschluss aus mir herauskitzeln können. Irgendwas macht Haemimont Games hier also trotzdem richtig! Beispielsweise das dynamischere Kampfsystem, das allein dank der Sprungfähigkeit Victors und den vielfältigen Dämonenfähigkeiten für fetzige Gefechte sorgt. Die Flinkheit des Dämonenjägers ist auch der Schlüssel zu vielen versteckten Ecken der Welt, die gerne mal mit kleinen Schätzen oder anderen Details aufwarten – da macht das Erkunden der Landschaften gleich umso mehr Freude. Nicht zuletzt hat der Humor bei mir trotz einiger angestaubter Anspielungen gut gefunkt. Gerade die Stimme aus dem Off ist so herrlich hämisch, dass man nicht anders kann, als sie mit Leidenschaft zu hassen. Die gelungene Motörhead-Zusatzkampagne, die auch noch klasse Musik in das sonst musikalisch stille Abenteuer bringt, ist da nur das Sahnehäubchen. Wer ein fetziges Action-RPG für zwischendurch sucht und idealerweise einen willigen Koop-Partner am Start hat, der ebenfalls für etwas Dämonenkloppe zu haben ist, sollte sich den Höllentrip des ruppigen Jägers durchaus mal genauer anschauen.
Hört auch ständig Stimmen: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de
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Fetzige Dämonenjagd in einer Steampunk-Fantasywelt, die jedoch durch eintönige und nervige Gegner ausgebremst wird.