Bereits 2013 sorgte Rogue Legacy bei Roguelike-Fans für Aufsehen und fuhr großartige Wertungen ein. Fünf Jahre später erscheint der Titel nun für Nintendo Switch und ist damit, nach Xbox und PlayStation, endlich auf einer Nintendo-Plattform vertreten. Ob das Spiel inzwischen Staub angesetzt hat oder immernoch überzeugen kann, verrate ich euch im Test.
Am Anfang war das Schloss… In der Introsequenz ist ein tapferer Ritter in Sepiafarben zu sehen, eindeutig ein Rückblick in graue Vorzeit. Relativ schnell kann ich die Kontrolle über den mittelalterlichen Recken übernehmen, durch ein kleines Schloss hüpfen und dabei die Einrichtung wie Kronleuchter, Statuen, Fässer sowie Tische und Stühle zerschlagen, wobei hin und wieder Münzen zum Vorschein kommen. Andere Ritter stellen sich mir ebenfalls in den Weg und dürfen meine Klinge spüren, während links unten alle Mitarbeiter eingeblendet werden. Irgendwann erreiche ich den Thronsaal und erschlage rücksichtslos den mit dem Rücken zu mir stehenden König. Damit endet der Vorspann und das Hauptmenü samt der sehr eingängigen Titelmusik erscheint auf dem Screen. Kaum beginne ich mein „Vermächtnis“, erscheint ein ebenfalls stattlicher Held in glänzender Rüstung und nähert sich der herabgelassenen Zugbrücke. Im Schloss angekommen geht es zuerst am Thronsaal vorbei, der durch fünf Siegel verschlossen gehalten wird. Ein Stück weiter liegt ein offenes Tagebuch auf einem Tisch, in dem der Prinz über einen Verrat am König schreibt und dass er sich jetzt um die Heilung des verwundeten Staatsoberhauptes kümmern will, was ihn zwangsläufig in den Wald nahe des Schlosses führt. Kaum gehe ich nach rechts weiter, lande ich schon im ersten Raum voller Fallen und Gegner. Dieses Mal sind auch eine Lebens- und eine Mana-Anzeige zur Stelle sowie mein aktuelles Geld und meine Spezialattacke, die beim Ausführen Mana verbraucht. Dann auf in den Kampf!
Es dauert keine Minute, bis der Held sterbend sein Schwert zu Boden schmeißt und zusammensackt. Sein Abbild landet als Gemälde an einer großen Wand und das Hauptmenü fordert mich nun auf, einen Erben zu wählen. An besagter Wand ist auch der legendäre Ritter Sir Johannes aufgehängt, der vermeintliche Verräter. Mein gerade verstorbene Ritter Sir Lee wird dagegen als „schwächlich“ eingestuft und von einem von drei möglichen Kindern beerbt. So gibt es einerseits Sir Gans, der Barbar, der riesengroß aber ziemlich ungeschickt ist und als Zauberspruch Chakrams erschaffen kann. Dann gibt es noch den Magier Sir Wilco, der Grüner Star hat, homosexuell ist und temporär die Zeit anhalten kann. Zuletzt kann ich auch Lady Bryne wählen, eine Schurkin, die unter Prosopagnosie leidet (also Menschen nicht auseinanderhalten kann) und außerdem weitsichtig ist, dafür aber Morgensterne umherwirbeln lassen kann. Jedes der drei Kinder unterscheidet sich also in seiner Klasse, dem Geschlecht sowie weiteren Eigenschaften und dem Zauberspruch, den sie beherrschen. Ist ein Erbe auserkoren, kann das eigene Rittergut ausgebaut werden. Dafür wird die Hinterlassenschaft des toten Ritters verwendet, wobei die Auswahl anfangs auf eine Schmiede beschränkt ist. Diese taucht nach dem Kauf vor dem Schloss auf, das es zu säubern gilt. Dort tritt dann auch anschließend der neue Held sein Erbe an und kann sich bei zuvor gekauften Gebäuden wie die Schmiede noch mit dem restlichen Geld weiter ausrüsten. Den Schlosseingang blockiert allerdings der mystische Charon, der in der Mythologie als der Fährmann des Todes gilt. Die in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt verlangt als Eintritt das gesamte restliche Geld und verschwindet anschließend.
…und auch beim zweiten Mal… Kaum habe ich das Schloss Hamson betreten, stehe ich als stolzer Ritter wieder vor dem Thronsaal und dem Tisch mit dem Tagebuch, im nächsten Raum sieht es aber plötzlich komplett anders aus als zuvor, denn das Schloss verändert bei jedem Durchgang seine Struktur. Außerdem werden durch die verschiedenen Klassen die Werte der Figur angepasst. So hat ein Barbar 150 Lebenspunkte statt 100, aber nur 50 Mana anstelle von 100. Bei einem Magier sieht das komplett anders aus, was auch für die Zaubersprüche gilt, die ebenfalls unterschiedlich kosten und natürlich andere Effekte haben. Die Größe der Figur ist auch ein wichtiger Faktor, da ein Riese einfacher getroffen werden kann als ein Zwerg. Durch langsames Vorantasten schaffe ich endlich den ersten Raum, muss mich aber dann schon im nächsten geschlagen geben. Wieder stirbt der Held und sein Gemälde landet in der Galerie, in der ich anschließend wieder zwischen drei neuen Erben wählen darf, die natürlich komplett zufällig generiert sind. Das wiederholt sich jetzt immer wieder, bis ich in einem Run ordentlich Geld angesammelt habe, das mir weitere Verbesserungen ermöglicht. Denn getätigte Käufe bleiben generationenübergreifend bestehen und so brauche ich nur einmal den Schmied sowie passende Rüstung kaufen, um mit verbesserten Werten in den nächsten Versuch starten.
Besonders interessant sind die Verzauberungen der Magierin, die ich später kaufen kann, denn diese ermöglicht mir teilweise neue Bewegungsmöglichkeiten wie einen Doppelsprung oder Sprints, um schnell Fallen auszuweichen. Um aber neue Waffen und Zauber zu erhalten, muss ich entsprechende Kisten finden, die quer im Schloss verteilt sind. Aber keine Angst: Ist eine Blaupause oder eine Rune erst einmal freigeschaltet, kann diese jederzeit am Anfang des Runs erworben werden. Da sich die Zauber und Rüstungen auf die fünf verschiedenen Bereiche Schwert, Helm, Brustplatte, Beinschienen und Umhang beziehen, können verschiedene Effekte miteinander kombiniert werden. So kann ein Blutumhang, der dem Helden beim Töten von Gegnern Lebenspunkte spendiert, mit einem Silberhelm mit Manabonus zusammengesetzt werden oder gleich maximal fünf Sprungrunen miteinander kombiniert werden, um insgesamt fünfmal in der Luft springen zu können. Ach ja, die Kisten, die besagte Runen und Blaupausen für Rüstungsteile enthalten, sind teilweise fies platziert und häufig an eine kleine Aufgabe geknüpft. So darf beispielsweise nach Betreten des Raumes kein Schaden erlitten werden bis die Truhe erreicht wurde. Oder es müssen alle Gegner im Raum beseitigt werden, die allerdings hin und wieder nur mit einem bestimmten Zauber bekämpft werden können. Neben dem Schmied und der Zauberin gibt es außerdem noch einen Architekten, der für einen gewissen Anteil am erbeuteten Geld das Schloss des letzten Ahnen nochmal wiederherstellt. Das Rittergut bietet außerdem noch neben dem Erwerb der erwähnten Figuren noch die Möglichkeit, Upgrades auf den Schaden, die Lebensenergie, das Mana, die Rüstung und die Klassen zu kaufen. Selbst ein Upgrade zu Verringerung der Kosten beim Charon gibt es dort oder die Beförderung der Magierklasse zum Erzmagier sowie die Freischaltung gänzlich neuer Klassen wie dem Bergarbeiter oder dem Lich.
…eigentlich jedes Mal Irgendwann ist meine Rüstung und mein Schadenslevel hoch genug, dass ich den Kampf gegen den Boss des Schlosses wagen kann. Dieser verbirgt sich hinter einem großen Tor an einer zufälligen Position und enthält den Torwächter Khidr, ein übergroßes Auge, das tränenartige Projektile in alle Richtungen verschießt. Mit meinem Held kann ich dank geschickter Manöver am Auge hoch und sogar um ihn herumspringen und an freien Stellen zuschlagen bis der Boss alle seine Lebenspunkte verloren hat. Kaum ist der Boss zur Strecke gebracht, regnet es Münzen und Belohnungen, allerdings bleibt der Bossraum nun bis zum Ende des Spiels verschlossen. Denn es gilt nun, die restlichen drei Bosse der insgesamt vier Ebenen zu besiegen. Nach dem Schloss geht es dann rechts in den Wald, anschließend nach oben in den Turm und zuletzt nach unten in den tiefen Dungeon. Dann sind endlich alle Siegel des Thronsaals gebrochen und die Story findet sein Ende…
Was euch dort erwartet verrate ich natürlich noch nicht, allerdings erlebt die Geschichte einige interessante Wendungen, die immer wieder durch die im Schloss verteilten Tagebucheinträge des Prinzen erzählt werden. Außerdem sind einige als große Gemälde getarnte Artworks in Räumen verstreut sowie Jukeboxes, an denen die aktuelle Hintergrundmusik geändert werden kann. Hin und wieder stoße ich auch auf kleine Jahrmarkt-Spiele, die mir beispielsweise durch das Werfen von Messer auf bewegliche Ziele ordentlich Geld einbringen können. Oder ich investiere 25% meines aktuellen Geldes in ein Glücksspiel, in dem ich eine von drei Kisten öffne und theoretisch das Dreifache an Münzen gewinnen kann. Geld selbst bleibt eins der wichtigsten Werte des Spiels, da dieser den nächsten Run grundlegend mitbestimmt und festlegt, wie gut der aktuelle Run verläuft. Mit der Zeit wird dann auch besagter Bergarbeiter als Klasse freigeschaltet, bei der gesammelte Goldmünzen mehr wert sind aber dessen Vertreter kaum Schaden aushalten und entsprechend nur für Grind-Runs verwendet werden sollten. Wie sich das Spiel anfangs und einige Stunden später spielt, könnt ihr bei meinem Angezockt-Video selbst verfolgen.
Fazit: Rogue Legacy ist in den ersten Spielstunden gnadenlos: Es wird schnell und oft gestorben bis irgendwann in einem Run genug Münzen für das erste Schloss-Upgrade zusammengekommen sind. Doch da das restliche Geld vor jedem Anlauf einkassiert wird und einige Upgrades nur durch spezielle Kisten freigeschaltet werden, reicht es nicht nur Geld zu sammeln. Das Spiel zu verstehen und sich eigene Bewegungsmuster anzutrainieren ist für die Fortbewegung im verwinkelten Schloss lebenswichtig. Ein bisschen später trägt der Held dann die erste Rüstung, stirbt nicht mehr nach den ersten Treffern und kann die Gegner mit wenigen Schlägen töten. Und erst dann, wenn man sich selbst eine erste Basis an Upgrades und Verständnis für die Steuerung angeeignet hat, startet das Spiel richtig durch und bindet seine Spieler durch das fesselnde Gameplay viele Stunden lang. Anfangs dauern die Runs keine zehn Minuten, doch mit der fortschreitenden Erfahrung werden die Durchgänge immer länger bis das Spiel endlich besiegt ist und das New Game Plus auf den Spieler wartet… Perfekt also für Spieler, die sich in Roguelites verlieren können, mal zehn Minuten oder mehrere Stunden im Zug oder Bus sitzen und „nur noch einen Run“ machen wollen. Achtung, Suchtgefahr!
Mag die Gegner gern zerkleinert und in winzige Stücke geschnitten: Nicola Hahn [501.legion] für PlanetSwitch.de
Vielen Dank an Cellar Door Games für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes!
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Endlich ist eines der besten und großartigsten Roguelites auf der Nintendo Switch zu haben!
Wertung
GAMEPLAY:
10
STEUERUNG:
8.0
ABWECHSLUNG:
7.0
83 von 100
Großartiges und fesselndes Gameplay
Eingängiger und stimmiger Soundtrack
Zahllose Upgrades, Zaubersprüche, Fähigkeiten, Klassen und Gegnertypen
Riesiger Wiederspielwert durch New Game+ mit deutlich höherem Schwierigkeitsgrad
Interessante Story mit ungeahnten Wendungen
Etwas altbackene 2D-Optik
Anfangs ziemlich steile Frustrationskurve, die dann aber deutlich erträglicher wird