Wer auch immer die Idee hatte Sonic, die Videospiel-Figur welche mit seinen eigenen Beinen schneller läuft als alles vorstellbare, in ein Auto zu stecken und darin Rennen fahren zu lassen, musste sicherlich etwas besonderes intus gehabt haben. Wenn Nintendo mit Mario Kart den König der Funracer geschaffen hat, könnte man doch versuchen, mit der Sonic-Marke auch ein Stück vom Kuchen abzukriegen. Und Tatsache, mit den Sonic & Sega All-Stars Racing-Spielen hat das geklappt. Aber jetzt ist es Zeit für Runde drei mit Team Sonic Racing und wie sich das auf der Switch schlägt erfahrt ihr im folgenden Test.
Teamwork makes the dream work Team Sonic Racing kommt mit den meisten Prinzipien und Mechaniken der üblichen Kart-Racer daher. Zu Beginn gibt es einen Turbostart, auf der Strecke liegen einsammelbare Items, Fahrer sind in Klassen unterteilt und natürlich kann man driften um Miniturbos aufzuladen. Dieses Spiel bemüht sich dabei aber, frischen Wind in diese Aspekte zu bringen. Und zwar macht es das in kombination mit dem Hauptmerkmal des Titels: Fast alles ist teambasiert. Man tritt nämlich nicht für sich an, sondern ist Teil eines Dreier-Teams, welches entsprechend gegen andere Teams antritt. Die Fahreraufstellung ist eher überschaubar und die Anzahl der Gruppen daher schmal. Mir selbst macht das aber nichts aus, da ich bei solchen Spielen sowieso immer den gleichen Charakter nehme. Die Fahrerklassen sind hier nicht nach Gewicht sondern nach Fähigkeit aufgeteilt. Man hat die Wahl zwischen schnellen, starken oder technischen Fahrern, die zusätzlich passive Eigenschaften besitzen. Beispielsweise kann die Technik-Klasse ohne Geschwindigkeitsverlust auf jedem Untergrund fahren und somit Abkürzungen ohne Items nehmen.
Um beim Thema Items zu bleiben: Diese unterscheiden sich kaum von Mario Kart. Es sind die üblichen Angriffs-, Turbo- und Hindernisitems gegeben und selbst den Geist, der andere bestiehlt, ist am Start. So wirklich neu sind höchstens die Flammenspur, die Gesteinssäulen und der Laser. Diese waren aber öfter in den Händen der Gegner als in meinen zu finden. Erhalten kann man Items aber auch von Teammitgliedern, es ist schließlich immer noch alles teambasiert. Während des Rennens kann man durch Teamaktionen einen Megaturbo aufladen, um für kurze Zeit unbesiegbar und rasend schnell zu sein. Zum Aufladen werden Teamaktionen benötigt, welche dann doch so clever umgesetzt wurden, dass man sie freiwillig einsetzt. Durch das Abgeben von Itemboxen werden diese verbessert. Aus einem Turbo werden so zum Beispiel drei. Praktischer ist noch der Windschatten, in dem man nicht nur schneller fährt, sondern auch noch einen Turbo auflädt, und am praktischsten ist der sogenannte Streifenturbo. Wurde ich durch irgendetwas stark verlangsamt, kann ein Teamkamerad an mir vorbeistreifen um mich direkt wieder auf Topspeed zu befördern. In solchen Momenten scheint das teambasierte Gameplay am hellsten. Nur hängt am Ende auch der Erfolg vom Team ab. So kann ich noch so perfekt auf dem ersten Platz sitzen und als erster durch das Ziel fahren, den Gesamtsieg bekomme ich nicht, wenn die KI-Kumpanen ganz hinten herumgurken – da helfen Teamaktionen auch nicht weiter.
Und wenn ich schon dabei bin, kann ich auch die restlichen Schwächen der Rennen aufzählen. In den ersten Spielstunden wird man einfach überwältigt: In jedem Rennen tauchen mittendrin Popups mit Anleitungstexten auf, ständig werden Banner mit den gleichen Tipps angezeigt, man wird unerwartet von Streifenturbos gegen die Wand gejagt, der visuelle Effekt von Megaturbos ist desorientierend und man weiß auch erst nicht wo es überhaupt lang geht. Andere Mankos gehen aber auch in den späteren Stunden nicht weg. Die Strecken haben keinen besonderen Erinnerungswert, vor allem wenn sie immer wieder Designs wiederverwenden. Oftmals gibt es breitspurige lange Geraden, bei denen die Action auf dem Tiefpunkt ist. Zuletzt habe ich nur noch mildere Kritikpunkte: Der Gummibandeffekt der KI kann ziemlich fies sein, sodass ich mehrmals in der letzten halben Runde einfach überrannt wurde. Allerdings trat der Effekt nur in den höheren Schwierigkeitsstufen auf und mit der Zeit schafft man es auch diesen abzuhängen. Die Mitstreiter geben ständig Kommentare über das Rennen ab, was an sich keine schreckliche Eigenschaft ist, aber bei dem gegebenen Ausmaß an Gequatsche mit der Zeit eher nervig wird. Weil man sie aber in den Optionen teilweise bis gänzlich abschalten kann, gibt es hier kein Problem. Das Driften funktioniert angemessen gut, um manche Kurven optimal zu fahren ist man auf ihn angewiesen und das Aufladen von Miniturbos ist gut getimt. Jedoch hat die Mechanik solch eine Bewegungsfreiheit, dass man schon fast geradeaus driften kann.
Was, es gibt eine Story? Beim ersten Start des Team-Abenteuers wird man gleich in die begleitende Story des Modus geworfen, welche in Form von Dialogen zwischen den Charakteren präsentiert und sogar in den verschiedenen Sprachen vertont wird. Die Geschichte ist jedoch recht einfallslos und ziemlich unnötig. Als Spieler muss ich nicht unbedingt wissen wie es dazu kam, dass ich neue Fahrer freigespielt habe. Glücklicherweise wurde die Story im weiteren Verlauf des Abenteuers optional gemacht. Im letzten Kapitel kam es dann zu dem Punkt, dass es nach einem Rennen hieß, ich hätte Dr. Eggman besiegt und jetzt die restlichen Kurse freigeschaltet habe. Selbstverständlich war das kurz verwirrend, aber ein Gefühl, dass ich was verpasst habe, hatte ich nicht. Das Besondere an dem Team-Abenteuer ist, dass nicht nur Rennen gefahren werden. Stattdessen bietet das Spiel zur Abwechslung diverse Challenges, von denen sich selbst Mario Kart mal eine Scheibe abschneiden könnte. Um bei den Vergleichen zu bleiben, lassen sich die Fahrzeuge in Team Sonic Racing ebenfalls anpassen, in dem Fall mit Fahrzeugteilen. Diese müssen freigeschaltet werden, indem man sie aus Modkapseln gewinnt, welche wiederum durch die inflationäre Ingame-Währung erworben werden müssen. Das heißt um an neue Teile heranzukommen, muss man manuell für Minuten nichts anderes tun als die A-Taste zu drücken um die Kapseln zu öffnen. Immerhin sind diese willkürlichen Lootboxen an keine Mikrotransaktionen gebunden. Die Anpassungen hören aber nicht bei Leistungsoptionen auf, denn auch die Optik der Fahrzeuge lässt sich mit erstaunlich viel Detail anpassen. Zwar hat jeder Fahrer nur sein eigenes Fahrzeug, aber dafür können diese umgefärbt und mit Stickern versehen werden. Es wird sogar eine große Auswahl von Lacktypen wie Metallic oder Matt bereitgestellt. Schade nur, dass man auf der Switch bei manchen Farben kaum einen Unterschied zwischen den Einstellungen wahrnehmen kann.
Offline sind neben dem Team-Abenteuer noch die üblichen Versus, Grand Prix und Zeitrennen Modi gegeben, welche sich hier aber auch ganz klassisch ohne Team fahren lassen. Das Zeitfahren weicht sogar von der Standardformel ab und wertet nur die beste Runde mit fliegendem Start, bei den recht langen Strecken macht das sogar Sinn. Der Funktionsumfang des Onlinemodus ist größer als erwartet und bietet auch hier die Möglichkeit nicht im Team zu fahren. Sogar Ranglistenmodi sind vorhanden. Man kann auch eine eigene Lobby aufmachen und denen von Freunden beitreten. So sieht man das doch gern. Allerdings ist das gesamte Online-Gameplay, mal davon abgesehen, dass kaum volle Lobbys gefunden werden, ein einziges Schlamassel. Die Rennen sind ein großes Lagfest, bei Kollisionen mit anderen wird man aufs übelste herumgeschleudert, vor jedem Rennen muss man sich in voller Länge die Streckenintros und am Ende die elendig langsame Punkteverteilung ansehen. Da versuche ich doch lieber mehr Sterne im Abenteuer zu sammeln.
Fazit: Als ich meine ersten Eindrücke von Team Sonic Racing durch Gameplay-Videos und Livestreams erhalten habe, war ich skeptisch. Die generelle Geschwindigkeit sah langsam aus, die Strecken wirkten anspruchslos und den Team-Aspekt habe ich gar nicht erst beachtet. Aber schon bei den ersten wenigen Rennen merkte ich schon dass das Tempo doch recht flott ist, solange man nicht auf Normal spielt. Als nächstes habe ich den Sinn hinter den Teams verstanden und zu schätzen gewusst. Sie wurde nämlich ziemlich gut umgesetzt und bietet mal etwas neues für das Genre, auch wenn man dabei auf Mitfahrer angewiesen ist, die die Wertung runterziehen können. Zuletzt hat sich dann auch mein Fahrstil so verbessert, dass ich in den Kursen anständige Ideallinien abfahren konnte. Damit hat der Titel in dem für mich wichtigsten Aspekt eines Rennspiels punkten können und meine ursprüngliche Skepsis zunichte gemacht. Trotzdem, im Vergleich mit Mario Kart kann dieser Racer dem König nicht das Wasser reichen, dafür sind die Kurse noch zu unauffälig, das Fahrverhalten zu indirekt und der Onlinemodus zum Testzeitpunkt zu instabil. Der Abstand zwischen den beiden Titeln lässt sich bemerkenswert gut im Kaufpreis der Beiden wiedererkennen. Während Mario Kart sich in Feinschliff badet, macht Team Sonic Racing den Eindruck von dem 80-zu-20-Prinzip. Dennoch kann es von sich überzeugen, weil hier nun mal einige neue Ideen in die Landschaft der Funracer gebracht werden, die sonst nirgends zu finden sind.
Braucht keine Kurve um zu driften: Andy Dück [awieandy] für PlanetSwitch.de
Vielen Dank an Sega für die freundliche Bereitstellung des Reviewexemplars.
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Solider Funracer, der aber einen ordentlichen Feinschliff braucht um richtig durchstarten zu können.