Auf dem ersten Blick sieht Townsmen wie das Geschwisterchen von New Frontier Days: Founding Pioneers (Zum Test) aus. Zur Erinnerung: In diesem Launchgame galt es eine neue Siedlung zu gründen und in einem abgesteckten Gebiet Ressourcen abzubauen, um daraus weiterverarbeitete Güter herzustellen und damit die Siedler zu versorgen. Townsmen ist dem gar nicht so unähnlich, allerdings deutlich ausgereifter und rundum komplexer. Wieviel besser der Titel am Ende ist und ob sogar ein Vergleich mit den Die Siedler-Spielen angebracht ist, verrate ich euch im Test!
Von Free2Play zu Premium Townsmen hat eine lange Geschichte hinter sich, denn die erste Version dieser Spielereihe ist bereits 2003 auf den ersten Mobiltelefonen als kleines 32 Kilobyte großes Java-Programm an den Start gegangen. 2011 folgte dann mit Townsmen 6 die erste Version für Android-Smartphones und 2012 die endgültige Townsmen-Version unter anderem auch für iOS, die seitdem regelmäßig weiterentwickelt wird. Am 30. November 2016, also vor gut zwei Jahren, brachte HandyGames mit der Hilfe von Headup Games den Titel dann auf den PC und wenig später folgte wieder eine eigene Portierung für den Facebook Gameroom sowie eine eigenständige VR-Version namens Townsmen VR, die als Göttersimulation weiterhin als Maßstab für VR-Erlebnisse gilt. Nun folgt die Nintendo Switch-Fassung der aktuellsten Smartphone-Umsetzung, die, wie zuvor schon Aces of the Luftwaffe: Squadron (Zum Test), ebenfalls von HandyGames portiert wird. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass aus dem ursprünglichen Free2Play-Titel vom Smartphone ein richtiger Bezahltitel wurde, also der Shop entfernt und die Wartezeiten für die Bauprojekte entsprechend gekürzt wurden, wobei die Ingame-Währung weiterhin Bestand hat und genutzt werden kann. Auf der Switch kommt außerdem noch die Kombination aus Touchscreen- und JoyCon-Steuerung hinzu, das das Beste aus beiden Welten kombiniert. Aber genug der trockenen Theorie, ab ins Spiel! Oder doch lieber erstmal ins Hauptmenü, denn dort begrüßt mich die Option „Neues Spiel“, die sich anschließend in „Einführung“, „Szenarien“ und „Endlosspiele“ unterteilt. Das sechs Level umfassende Tutorial ist dabei schwer zu empfehlen, da hier grundlegende Mechaniken des komplexen Spiels erklärt und nebenbei eine nette Geschichte mit kleinen Wendungen erzählt wird. Dabei steigt die Schwierigkeit der Karten von mal zu mal an, sodass definitiv keine Langeweile aufkommt. „Szenarien“ bieten ebenfalls geleitete Missionen, wobei mit 26 verschiedenen Leveln und gänzlich unterschiedlichen Aufgaben, Schwierigkeitsgraden und Kartengrößen für Abwechslung gesorgt wird. Für das „Endlosspiel“ stehen 24 verschiedene Karten zur Verfügung, die sich ebenfalls in Kartengröße und Schwierigkeitsgrade unterscheiden, aber auch verschiedene Biome behandeln.
Im Mittelpunkt von jedem Spiel steht das Dorf rund um den Bergfried, das von den sogenannten Townies bewohnt wird. Diese kümmern sich um den Betrieb der Siedlung, denn jedes Gebäude benötigt zum Funktionieren mindestens einen Bewohner. Das bedeutet aber auch, dass für die grundlegende Produktion von Bretter, die durch eine Produktionskette von Holzfäller und Sägemühle bereitgestellt wird, freie Townies benötigt werden. Neue Einwohner werden durch Wohnhäuser gewonnen, die allerdings erst gebaut werden müssen. Im Falle eines einfachen Hauses ist es nur eine gewisse Menge an Bretter und Münzen, die dann ein freier Siedler zur Baustelle bringt und anschließend mit den Bauarbeiten beginnt. Wenn mal nicht alle Ressourcen oder freie Bauarbeiter zur Verfügung stehen oder der Bau einfach schnell fertiggestellt werden soll, kann sogenanntes Prestige genutzt werden um das Gebäude sofort zu vollenden. Dieses gewinnt man mit der Erfüllung von Aufträgen, ein Erwerb gegen Echtgeld ist im Vergleich zu den vorherigen Versionen nicht mehr möglich. Ist das Haus fertiggestellt, stellt es einmalig neue Townies und regelmäßig Steuergelder zur Verfügung, die dann wieder in neue Bauten investiert werden können. Die sind auch bitter nötig, denn für neue Ressourcen werden zusätzliche Gebäude und teilweise längere Produktionsketten gebraucht, die wiederum freie Arbeiter für den eigentlichen Betrieb fordern. Dazu gehören auch Minen und Schmelzen für die Schwerindustrie, die sich um die Konstruktion von Werkzeugen, Waffen und Rüstungen kümmert. Das Militär ist nämlich ein weiterer wichtiger Aspekt, der auf manchen Karten des Spiels wichtig wird. Dort streifen nämlich barbarische Gesellen durch die Wälder und greifen von Zeit zu Zeit die Gebäude des Dorfs an und beschädigen diese. Die Angriffe können durch Wachtürme automatisch bekämpft werden, die allerdings durch Kasernen mit Proviant versorgt werden müssen. Sind die Soldaten mit Schwert, Schild sowie Bier und schmackhaften Würsten als Verpflegung versorgt, steigt deren Kampfkraft gegen die Eindringlinge und die Siedlung ist sicher. Zumindest so lange bis neue Gebäude außerhalb des Wirkungskreises des Wachturms gebaut werden, dann muss nämlich ein weiterer Turm her. Und dieser muss dann wieder im Radius einer Kaserne gebaut werden, schließlich kämpft es sich mit leerem Magen und ohne Ausrüstung deutlich schlechter.
Gameplaymechaniken en masse Apropos Beschädigungen, die die Angreifer an Gebäuden hinterlassen: Mit der Zeit wird der Zustand der Einrichtungen, egal ob aktiv genutzt oder nicht, automatisch immer schlechter. Zum Glück kann der aktuelle Status jederzeit eingesehen und eventuelle Defizite sofort gegen Geld ausgebessert werden. Reagiere ich allerdings nicht rechtzeitig und die Prozentanzeige erreicht die Nullmarke, dann stellt das Gebäude seine Funktion ein und ich muss die Wiederherstellung möglichst schnell vornehmen, um in keine Versorgungsengpässe zu rutschen. Wem das manuelle Überprüfen der Bauten zu anstrengend ist, kann auch einen oder mehrere Handwerker ansiedeln, die die Reparatur übernehmen – natürlich nur wenn entsprechendes Bargeld zur Verfügung steht. Eine weitere Gefahr für Gebäude ist seit jeher auch das Feuer, das sich im Spiel durch Banditen oder durch Blitzeinschläge entfacht und schnell ausbreiten kann. Hierfür stehen Feuerwachen bereit, die sich in mittelalterlicher Manier um die feurigen Ausbrüche kümmern. Wer kein großer Fan von Trümmerhaufen ist, sollte auch möglichst nicht in der Nähe von lawinengefährdetes Gebiet siedeln und möglichst früh einen Arzt im Dorf unterbringen, um einer möglichen Epidemie durch die Pest Einhalt zu gebieten. Denn sollten Häuser zerstört, Nahrungsvorräte zu knapp oder die Bürger krank werden, sinkt die Zufriedenheit. Unter 100% steigt dann die Streikwahrscheinlichkeit, die Bewohner ziehen langsam weg und verlassen dabei ihre Gebäude, was schnell zum Einbruch ganzer Produktionsketten führen kann. Ein praktisches Gegenmittel ist dabei die Senkung der Steuer, die die Mienen der Bürger schnell aufhellen lässt. Im Gegenzug ist etwas Geld im Staatssäckel auch immer nützlich, um besagte Reparaturen zu finanzieren und neue Gebäude zu errichten.
Einen guten Zuschuss bringt hier der Händler, der regelmäßig in der Siedlung vorbeischaut sobald ein Markt errichtet wurde. Ist der Kaufmann in der Stadt, kann nämlich gehandelt werden. Die produzierten Ressourcen werden dabei zusammen mit dem aktuellen Einkaufs- und Verkaufspreis im Menü aufgelistet. Per Pfeil nach links und rechts können so entweder Waren eingekauft oder verkauft werden, dabei darf aber das eigene Lager beim Einkaufen sowie der freie Stauraum des Händlers beim Verkaufen nicht überfüllt werden. Ist der eigene Lagerraum aufgebraucht, können übrigens auch keine neuen Produkte mehr untergebracht werden, was beispielsweise die Versorgung durch Nahrungsmittel im Winter gefährden kann. Abhilfe schaffen dagegen entweder die Zerstörung oder der Verkauf überflüssiger Ressourcen, der Bau neuer Lagerhäuser oder die Erforschung neuer Lagermöglichkeiten. Ja, auch Forschung ist ein wichtiger Bestandteil des Spiels, wobei neue Forschungen mit jedem Levelaufstieg freigeschaltet werden, zum Levelsystem aber gleich mehr. Geforscht wird anschließend über ein Menü, in dem zuerst der gewünschte Bonus wie eben mehr Stauraum oder schnellere Soldaten ausgewählt wird. Dann läuft ein Timer ab, bis die Forschung vollendet und die Verbesserung aktiv ist. Forschungen sind wie der aktuelle Level übergreifend und somit unabhängig von der aktuellen Stadt, sodass alle Boni mit in neue Karten übernommen werden. Das Levelsystem funktioniert dabei ganz klassisch über Erfahrungspunkte, die es für glückliche Bürger und erfüllte Quests gibt. Ab bestimmten Stufen werden einige wichtige Forschungen freigeschaltet um einzelne Gebäude hochstufen zu können. Dann können die Produktionen mehr Arbeiter aufnehmen, effizienter funktionieren und mehr lokalen Stauraum bereitstellen um Produkte auf Vorrat herzustellen bis sie von einem Angestellten eines Lagerhauses oder eines verarbeitenden Betriebs abgeholt werden können. So, jetzt steht nur noch eine wichtige Gameplaymechanik im Raum: Das Wetter und die Jahreszeiten. Denn in der beschaulichen Siedlung vergeht wie im echten Leben die Zeit, die, nicht ganz wie in der Realität, auch angehalten oder vorgespult werden kann. Irgendwann endet beispielsweise der Herbst und der Winter beginnt. Dann kann plötzlich wegen dem Schneefall kein Getreide mehr geerntet werden und die Flüsse frieren zu, kein Fisch für den Angler also. Hoffentlich hat das Dorf genug Nahrung auf Vorrat, denn hungrige Townies arbeiten nicht gern und die Zufriedenheit fällt ins Bodenlose, was in emigrierende Bürger resultiert. Damit hat jede Jahreszeit ihre Eigenheiten, im Sommer besteht beispielsweise auch die Gefahr einer Dürre oder das Wetter spielt verrückt und es kommt zu Gewittern. Die können übrigens dank der Blitze Gebäude in Brand stecken oder entstandene Feuer durch Regen löschen.
Fazit: Townsmen ist auf dem ersten Blick ein unscheinbarer Titel, auf dem zweiten aber präsentiert das Spiel seine Komplexität und seinen Umfang. Zwar erreicht das Aufbauspiel nicht die Genregrößen wie Age of Empires, Die Siedler oder die Anno-Reihe, aber es ist und bleibt ein toller Geheimtipp, der die Strategiesparte auf der Nintendo Switch deutlich aufwertet und die Schmach eines gewissen Launchtitels wettmacht. Natürlich gibt es auch einige Negativpunkte wie die etwas fummelige Bedienung beim Handeln mit dem Touchscreen oder das etwas zu groß geratene Spielmenü, das die Aufgaben, den Handel, die Zufriedenheit, die Forschung, die Statistiken und die Übersicht zur Stadtwache enthält. Daran sind aber teilweise auch die Gegebenheiten der Konsole schuld und ich konnte mich schnell damit arrangieren. Besonders hervorheben möchte ich die zahlreichen Szenarien, die überaus gut gelungene Einführung sowie die zuckersüße Optik des Spiels. Alle Grafiken und Animationen sind goldig, auch wenn es nicht allzuviel von beiden geben mag und somit jeder Bürger und jedes Wohnhaus exakt gleich aussieht. Nichtsdestotrotz sind das nur kleine Negativpunkte bei dem sonst rundum entspannenden Aufbautitel. Empfehlenswert besonders für Neulinge des Genres aber auch Fans der alten Versionen werden ihren Spaß haben und sich in den kniffligen Szenarios und den zahlreichen Sandbox-Karten austoben.
Wäre gern selbst Bürger in seinem beschaulichen Städtchen: Nicola Hahn [501.legion] für PlanetSwitch.de
Vielen Dank an HandyGames für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.
Leserwertung:
Noch keine
Deine Wertung:
-
Ein schönes Aufbaustrategiespiel für unterwegs - perfekt für Genre-Einsteiger aber auch für -Veteranen
Wertung
KOMPLEXITÄT:
8.0
UMFANG:
9.0
ANSPRUCH:
8.0
83 von 100
Angenehme Steuerung, sowohl via Touchscreen als auch über die Joy-Cons
Zuckersüße Sprites…
Komplexe Warenkreisläufe und Produktionsketten
Ordentlich Umfang durch eine ausführliche Einführung, zahlreiche Szenarien und zig Endloskarten
Abwechslungsreiche Quests mit Bonusaufgaben
Überladene Menüs
…die leider keine grafischen Variationen bieten
Die Hintergrundmusik wird schnell eintönig und nervig
Klingt für mich leier fast so nervig wie das Frontierding.. ich hätte sooo gerne ein schönes Age of Empire oder sowas interessantes wie rim world für die switch.
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