Review:
Pikmin 3 Deluxe
Ähnlich wie die Protagonisten des Spiels selbst flüchtet auch Pikmin 3 sich in neue Gefilde. Als Pikmin 3 Deluxe auf der Switch wiedergeboren, verbirgt sich hinter der oberflächlich lediglich als schnörkellose Portierung mit Extra-Inhalten erscheinenden Umsetzung jedoch deutlich mehr. Nintendo beließ es nämlich nicht bei einer bloßen Steuerungsanpassung in Ermangelung eines zweiten Bildschirms, der zu Wii U-Zeiten (leider) zugleich stark und doch irgendwie halbherzig eingebunden wurde, sondern spendiert dem Abenteuer-Strategiespiel diverse kleine Verbesserungen und Boni, wegen derer mein erneuter Spieldurchlauf zur wahren Freude wurde. Was die drei Raumfahrer vom sterbenden Planeten Koppai erleben und wie genau ihr Rettungsflug bereichert wurde, das verrate ich euch im folgenden Test.
Brot für die Welt
Wie es sich für die Pikmin-Reihe gehört, beginnt Teil 3 mit einer Notlage. Wie bereits erwähnt, herrscht auf dem Planeten Koppai Panik. Genauer ausgedrückt grassiert eine Hungersnot, weswegen mutige Raumfahrer nun diverse Planeten auf der Suche nach Nahrung durchforsten. Das von Captain Charlie geleitete Team bestehend aus Botanikerin Brittany, Mechaniker Alph und ihm selbst landet mit letzter Not auf dem Planeten PNF-404 – die Heimat der possierlichen Pikmin, wie sich schnell herausstellt. Außerdem auch ein Ort, an dem sich haufenweise köstliche Früchte und leckeres Obst finden lässt. Die Mission ist klar: Sich nach dem unfreiwilligen Absturz erst einmal wieder sammeln und dann mit so vielen aus Früchten gesammelten Samen wie möglich den Rückzug nach Koppai antreten – wofür der übrigens ebenfalls verlorengegangene Überlichtschlüssel notwendig ist. Und all das ist möglichst vor dem Hungertod der Crew zu erledigen.
Ganz wie im ersten Pikmin gibt es auch hier ein Tagelimit, innerhalb dessen ihr euren Auftrag zu erfüllen habt. Statt fester 30 Tage bestimmt jedoch euer angesammelter Vorrat an Fruchtsaft, wie lange ihr bleiben dürft. Zunächst startet ihr mit drei Portionen, jedes weitere geborgene Nahrungsmittel verschafft euch zusätzliche Erkundungstage. Da sich bereits mit wenig Aufwand ein großes Polster anschaffen lässt, wirkt dieser künstliche Zeitdruck im Prinzip überflüssig. Selbst ungeübte Spieler sollten locker innerhalb von 30 Spieltagen alles erledigen können, was das Hauptabenteuer zu bieten hat. In meiner ersten Switch-Runde auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade – zusätzlich zum nun als „schwierig“ betitelten Äquivalent des Wii U-Originals gibt es noch einen einfacheren „normalen“ Härtegrad sowie die freischaltbare, höhere „Ultra-Motiviert“-Stufe – hatte ich schnell genug Fruchtsaft angesammelt, um locker 15 bis 20 Tage zu verschleudern.
Frisch ans Werk!
Doch wie sieht so ein Tagesablauf auf PNF-404 eigentlich aus? Nach Auswahl des Erkundungsgebiets, von denen nach Erfüllung bestimmter Bedingungen neue freigeschaltet werden können, verschafft ihr euch zunächst einen Überblick über eure Umgebung und geht dann den örtlichen Puzzles auf den Grund. Auch wenn Pikmin effektiv als Strategiespiel durchgeht, liegt der Fokus nämlich mehr auf dem Lösen von Rätseln. Sei es etwas relativ Simples wie das Einreißen von Wänden mit bestimmten Eigenschaften oder komplexere Aufgaben wie Waagen-Puzzles, bei denen es auch auf das Zusammenspiel eurer Raumfahrer ankommt. In jedem Fall sind jedoch die titelgebenden Pikmin unerlässliche Helfer. Bis zu 100 der pflanzenartigen Multitalente könnt ihr aufs Feld beordern und mit euren drei Anführern herumkommandieren. Per Cursor und helfender Zielerfassung peilt ihr schlichtweg an, was ihr bearbeitet haben möchtet, und werft dann mit einem Druck auf die A-Taste euer gewähltes Pikmin, damit es seiner Arbeit nachgehen kann. Wollt ihr gleich eure ganze Kompanie auf das Ziel hetzen, um beispielsweise ein Tor schneller einzureißen oder einen Feind zu überrennen, geht dies auch mit Betätigung der X-Taste. Zu beachten ist dabei jedoch, dass jede Pikmin-Farbe über andere Eigenschaften verfügt. Während rote Pikmin beispielsweise über Feuerhindernisse lachen, können Flügel-Pikmin gewisse Hindernisse schlichtweg überfliegen, wohingegen Stein-Pikmin Kristallformationen und Glaskonstrukte einreißen. Dass der richtige Einsatz der Gattungen fortschrittsentscheidend ist, versteht sich von selbst.
Die Steuerung geht dabei gut von der Hand, auch wenn es je nach gewählter Methode kleine Defizite gibt. Optimal spielt sich Pikmin 3 mit von der Konsole gelösten Joy-Cons, die dank Gyro-Sensoren die Wii-Remote-Steuerung der vorherigen Teile emuliert. Alles lässt sich perfekt anpeilen und auch wenn sich an der Wurfreichweite des Koppai-Trios nichts ändert, lässt sich der Cursor und damit die Pikmin zurückrufende Pfeife über deutlich größere Distanzen nutzen. Allerdings müsst ihr so natürlich hin und wieder auf die R-Taste drücken, um den Zeiger im Bedarfsfall wieder neu zu zentrieren. Die traditionellen Controller-Optionen – sei es mit dem Pro Controller oder der Handheld-Betrieb – bieten zwar ebenfalls Bewegungssteuerungsmöglichkeiten für den Cursor an, spielen sich so jedoch ziemlich unkomfortabel. Dank der Zielerfassungsoptionen und vieler neu hinzugefügter Anvisierungspunkten in der Switch-Version werdet ihr aber nach einer kleinen Eingewöhnungsphase kaum Komfort vermissen. Kurioserweise wurde übrigens auf jegliche Touchscreen-Einbindung verzichtet, obwohl der berührungssensitive Screen des Wii U-Gamepads damals ausgiebig genutzt wurde.
Der richtige Feinschliff
Insgesamt sind an Pikmin 3 Deluxe so viele Kleinigkeiten verbessert, dass man sich als Wii U-Veteran beizeiten fragt, wie man ohne diese Features ausgekommen ist. Die Controller-Steuerung ist wieder deutlich näher an der Konfiguration der GameCube-Erstlinge, die Umgebungen wurden leicht umgebaut, um den Spieler intuitiv in die richtige Richtung zu lenken und jederzeit aufrufbare Tipps geben euch Denkanstöße, wenn ihr mal komplett auf dem Schlauch stehen solltet. Wenn ihr eure Pikmin-Kompanie mit dem Entlassungsbefehl an Ort und Stelle abstellt, müsst ihr zudem nicht erst die gewünschte, farblich sortierte Truppe wieder zu euch pfeifen, sondern habt sie direkt schon bei euch – eine kleine Anpassung, die auf lange Sicht viel Zeit bei den Puzzles einspart. Ich könnte hier vermutlich unzählige weitere kleine Ergänzungen listen, möchte mich hier allerdings nicht zu sehr in Details verlieren. Lasst mich euch nur so viel sagen: An die Neuerungen habe ich mich so schnell gewöhnt, dass ich sie bei erneuten Anläufen in den Vorgängerspielen wohl direkt vermissen würde.
Schnell entwickelt sich nämlich ein ungemein mitreißender Spielfluss, der nicht mehr loslässt. Ich erwischte mich schnell dabei, wie ich weitreichende Pläne schmiedete, meine drei unabhängig voneinander bewegbaren Kommandanten über die Karte beorderte und möglichst optimal die kleinen Knobeleien und Kämpfe löste. Schnell winke ich die Truppen an meine Seite, die ich für das aktuelle Puzzle brauche, während ich an anderer Stelle einen hitzigen Kampf mit einem Bossmonster unter Kontrolle behalte. Anders als in Pikmin 2 und dem originalen Pikmin 3 dürft ihr in der Deluxe-Ausgabe den Story-Modus sogar mit einem zweiten Spieler im lokalen Koop-Modus angehen. Durch die so mögliche Arbeitsteilung und Koordinationsoptionen lässt sich noch einmal wesentlich effizienter arbeiten. In guten Teams kommt da richtig Freude auf! Dass die Story sich locker in unter zehn Stunden beenden lässt, wiegt dabei gar nicht mal so schwer, motiviert Pikmin 3 doch aufgrund einer lokalen Bestenliste zur Optimierung des Spieldurchlaufs.
Die neuen Abenteuer des alten Helden
Auch im Missionsmodus, der in der Deluxe-Version auch die DLC-Karten des Wii U-Gegenstücks inkludiert, kann eine helfende Hand nicht schaden. Hier versucht ihr nämlich, innerhalb strikter Zeitlimits entweder alle Gegner von der Karte zu putzen oder alle Früchte einzusammeln. Bei schneller Komplettierung winken dabei gehörige Punkteboni, die Ranglisten an sich bleiben aber leider offline. Auch die neuen Prolog- und Epilog-Szenarios mit dem vorherigen Pikmin-Protagonisten Olimar finden im Rahmen derartiger Herausforderungslevel statt – ein wenig enttäuschend, hatte ich persönlich doch auf eine richtige Kampagne mit dem altgedienten Pikmin-Kommandanten gehofft. Die Kurzgeschichten wissen aber dennoch dennoch zu unterhalten.
Wer seinen Multiplayer-Spaß eher kompetitiv als kooperativ mag, wird ebenfalls bedient. Zwar bietet Pikmin 3 Deluxe - ganz wie auf der Wii U – mit dem Bingoduell nur einen solchen Spielmodus, der macht mit dem richtigen Spielpartner jedoch ordentlich Laune. Ziel ist es, bestimmte Objekte oder Gegner zur eigenen Basis zu transportieren und so eine Linie auf der eigenen Bingokarte auszufüllen. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan, wenn der Gegner dies ebenfalls versucht und euer Vorhaben aktiv stören kann. Für den Spielspaß reichen übrigens auch – sowohl im Duell als auch im Koop-Modus – einzelne Joy-Cons, wobei die auf den kleinen Controller zugeschnittene Steuerung arg gewöhnungsbedürftig ausfällt. Für kleine Duelle unterwegs ist diese Methode dennoch mehr als ausreichend.
Natur pur
Auf technischer Ebene war bereits das Wii U-Gegenstück eine wahre Augenweide und die Switch-Version hat nichts von der optischen Brillanz eingebüßt. Vielmehr laufen einige Kernstellen, in denen das Original zu Slowdowns neigte – beispielsweise das Saftpressen am Ende eines Spieltages – nun selbst im Handheld-Modus der Konsole flüssiger als auf der alten Heimkonsole. Die Umgebungen selbst bestechen mit lebensnah wirkendem Pflanzenwuchs, malerischen Konstrukten und furchteinflößend wie kreativ gestalteten Gegnern. Gerade die Bosskreaturen können sich sehen lassen! Die musikalische Untermalung unterstreicht dabei perfekt das generell ruhigere Ambiente, weiß aber auch in stressigeren Konfrontationen entsprechend einzuheizen.
Fazit: Ähnlich wie die Wii-Umsetzungen der ersten beiden Pikmin-Spiele es aufgrund ihrer besseren Steuerung für mich praktisch unmöglich machten, die GameCube-Originale zu genießen, hat Pikmin 3 Deluxe die Wii U-Vorlage in meinem Kopf komplett abgelöst. Selbst im Handheld-Modus ohne Motion-Control-Zeiger ist die Steuerung insgesamt bedeutend intuitiver und dank diverser kleiner Anpassungen lassen sich die Aufgaben auf PNF-404 noch eingängiger und effektiver erledigen. Anders als auf der Wii U, wo ich dank Gamepad-Zwangseinbindung und Unwillen zum Umgreifen lamentierte, nicht auf die Wii-Fernbedienung zurückgreifen zu können, habe ich die Pointer-Steuerung in der Deluxe-Ausgabe zu keinem Zeitpunkt vermisst. Dass sie trotzdem noch als Option dabei ist, rechne ich Nintendo aber natürlich ebenfalls hoch an. Dank dieser guten Steuerungsbasis kann zudem das ausgeklügelte Spieldesign von Pikmin 3 noch viel heller strahlen: Die insgesamt überschaubar großen Areale sind eingängig aufgebaut und laden direkt zur Erkundung und Arbeitsplanung ein, die an sich relativ simplen Knobelaufgaben und gewaltigen Bosskämpfe unterhalten gekonnt und die Suche nach den verstreuten Fruchtsaftspendern motiviert ungemein. Schnell erwischte ich mich dabei, bereits für die nächsten Spieltage im Voraus zu planen und bedeutend länger zu spielen, als ich zunächst vorhatte. Außerdem kann ich endlich die Kampagne auch mit einem Kumpel kooperativ zocken – etwas, das ich mir bereits seit Pikmin 2 auf dem GameCube gewünscht habe! Kurzum: Egal ob ihr der Koppai-Crew bereits auf der Wii U ausgeholfen habt oder neu auf dem Planeten der Pikmin seid, dieses Abenteuer-Strategiespiel ist ein Muss für Jeden, der sein Herz auch nur ansatzweise für die possierlichen Pflanzenwesen erwärmen kann.
Kommandant mit grünem Daumen: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.
Das definitive Pikmin-Spiel: Erstklassiges, fesselndes Strategie-Abenteuer mit derartig vielen kleinen Verbesserungen, die man gar nicht mehr missen möchte. |
Wertung
KOMPLEXITÄT:
8.0
ÜBERSICHT:
9.0
STEUERUNG:
9.0
90 von 100
Einsteigerfreundlich, ohne zu unterfordern
Spaßige Puzzles und Gefechte
Eingängige Handheld-Steuerung…
…und perfektes Joy-Con-Setup
Kampagne endlich zu zweit spielbar!
Malerische Umgebungen
Knuffige (und teils furchteinflößende) Kreaturen
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Wenige, relativ kleine Karten
Multiplayer und Ranglisten lediglich offline
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Wie werten wir?
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Spielname:
Pikmin 3 Deluxe
Typ:
Switch-Spiel
Jetzt Bestellen:
Zum Shop
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Publisher:
Nintendo
Developer:
Nintendo
Genre:
Strategie
Release:
30.10.2020 (erschienen)
Multiplayer:
1-2 Spieler
Altersfreigabe:
Frei ab 6 Jahre
eShop Preis:
59,99 €
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Screenshots:
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