Kurztest:
No More Heroes
Nachdem Travis Touchdowns große Rückkehr im letzten Jahr eher schlecht als recht verlief (zum Test), folgte nun als kleiner Auftakt zum baldigen Release des dritten Serienablegers eine Switch-Portierung der ersten beiden No More Heroes-Spiele. Gerade der erste Teil gilt als einer der großen Kultklassiker der Wii – und das nicht nur, weil er (zumindest in der US-Version) durch seinen hohen Blutgehalt von sich reden machte. Nein, vielmehr besticht der Action-Titel durch die markante Handschrift des Schöpfers Goichi „Suda51“ Suda, die ihm eine immer noch bestens wirkende, persönliche Note verleiht, aber auch natürlich einige Schwächen mit sich bringt. Wie die Schnetzelparade heute wirkt, verrate ich euch im folgenden Test.
Santa Destroy sucht den Super-Killer
Die Story ist scheinbar simpel: Freizeit-Killer und Vollzeit-Otaku Travis Touchdown trifft eines Tages auf die im Auftragskiller-Business beschäftigte Sylvia Christel, die ihm eine Herausforderung anbietet. Travis soll sich durch die Rangliste der besten Attentäter des Landes kämpfen und so zur Nummer 1 werden. Den Elftplatzierten hat er zum Glück schon im Zuge des allerersten Trailers zum Spiel (Link) ausgeschaltet, also geht es direkt mit dem Kampf um Rang 10 weiter. Danach läuft alles geregelte Bahnen: Travis muss erst die Teilnahmegebühr für den nächsten Fight bezahlen, danach eine kurze Action-Stage als Aufwärmübung erledigen und anschließend in einem fulminanten Bosskampf den jeweiligen Ranglistenkämpfer plätten. Auch in der Welt der Auftragsmorde geht schließlich alles nach geregelten Plänen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass euch ganz gewöhnliche Missionen erwarten. Die Riege der Killer präsentiert sich bereits im ersten No More Heroes als dezent abgefahren. So begrüßt euch gleich Platz 10, Death Metal, mit einem übergroßen Aufklapp-Rasiermesser, während euch der darauf folgende neuntplatzierte Boss Dr. Peace vor Kampfbeginn erst einmal ein Liedchen in einem Baseball-Stadion trällert. Das verleiht den Intermezzos Charakter und macht die Riege denkwürdig, auch wenn man eigentlich abseits der jeweiligen Intros und Abschlusssequenzen nicht viel über die Figuren erfährt. Zumal erweisen sich die Duelle selbst als fordernd und teils sogar ziemlich einfallsreich. Könnt ihr euch auf dem niedrigen „Süss“-Schwierigkeitsgrad noch halbwegs blind durch die Meute schlagen, wird auf mittlerer „milder“ Stufe schon etwas Taktik gefragt. Der freischaltbare „Bitter“-Härtegrad macht aus einigen Konfrontationen schlussendlich regelrechte Marathons, bei denen Travis' Leben nach nur wenigen Treffern ausgeblasen werden kann – die perfekte Herausforderung für erfahrene Kämpfer.
Der dröge Alltag
Die eigentlichen Level vor den Bossen fahren dabei leider ein eher gewöhnliches Programm ab, machen durch ihr eingängiges Design aber dennoch Laune. Im Prinzip müsst ihr auf eurem Weg durch die Villen, Stadien-Korridore und anderen Einrichtungen einfach alles umlegen, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Die anstürmenden Möchtegern-Killer werden zu diesem Zweck mit der ZL-Taste ins Visier genommen und anschließend mit den Aktionstasten malträtiert. Die Kombos hängen hier von eurem ausgerüsteten Beam Katana ab, von denen sich abseits der Aufträge eine kleine Auswahl erwerben lässt – das sorgt für Abwechslung auf eurer Reise zur Ranglistenspitze. Schön dabei: Sowohl die originale Wii-Konfiguration, bei der ihr durch Neigung der rechten Controller-Einheit die Schlaghöhe bestimmt, als auch ein gewöhnliches Controller-Setup, das in der PS3-Portierung und im Nachfolger zum Einsatz kam, sind mit an Bord. Schütteleinlagen, wie sie beispielsweise beim Akkuladen des Beam Katanas auftreten, werden beim traditionellen Schema dann schlichtweg auf die Analogsticks gesetzt, während die Angriffsaktionen auf jeweils zwei Tasten aufgeteilt sind. Das funktioniert, mir persönlich gefallen jedoch damals wie heute die Motion-Control-Finisher bedeutend besser – sie fühlen sich für mich einfach besser an.
Was hingegen leider nach wie vor nicht wirklich toll ist: Die offene Spielwelt, die ihr zwischen den Rangkämpfen erkundet. Travis' Heimatort Santa Destroy ist nämlich technisch gesehen frei begehbar, bietet allerdings recht wenig von Interesse. Es gibt massig Mülleimer nach Shirts und Geld zu durchwühlen, Upgrade-Kugeln einzusammeln und knifflige Freikampfmissionen zu erledigen, wirklich unterhaltsam ist dies jedoch nicht. Ähnliches gilt für die Minijobs und Killer-Quests, die bei entsprechenden Auftraggebern abgeholt werden. In beiden Fällen müsst ihr für jede Aufgabe erst von einer zentralen Annahmestelle zum Missionsort fahren, um dort dann entweder ein ödes Minigame der Marke Rasenmähen oder Graffitireinigung zu erledigen oder eine Hand voll Handlanger auf Eis zu legen. Blöd nur, dass ihr diese Jobs in der Regel mehrfach durchmachen müsst, um die Teilnahmegebühr für den nächsten Hauptkampf zu decken. Die Folge: Ewige Pendeleien zwischen zwei Punkten. Das ist vermutlich durchaus gewollt, denn der gewollt auf cool getrimmte Travis führt beileibe kein erstrebenswertes Leben, zumal keiner der Rangkämpfe mehr Geld ausschüttet, als er investiert. Der Gedanke der absichtlichen Spielzeitstreckung lässt sich jedoch nicht vollkommen abschütteln.
Scharfe Sache
In technischer Hinsicht kann sich die Switch-Umsetzung zumindest als guter Port sehen lassen. No More Heroes wurde beileibe nicht großartig herausgeputzt, läuft dafür aber immerhin weitestgehend flüssig und sieht mit einer vergleichsweise einfachen, dezent stilisierten Optik schmuck aus. Die bei jedem erledigten Gegner auftretenden Blutfontänen stellen dazu einen gelungenen Kontrast dar. Auch der Sound kann sich mit seinen vielfältigen Melodien und der grundsoliden englischen Vertonung hören lassen. Leider hat das Portierungsteam von Engine Software einen kleinen Untertitel-Fehler aus der deutschen Wii-Version mit übernommen, weswegen eine Dialogsequenz in falscher Sprache untertitelt wird – dafür wurde zumindest ein weitaus kritischerer Fehler aus dem Endgame behoben. Nicht zuletzt bekommt ihr mit der Switch-Version von No More Heroes wirklich „nur“ das Spiel, wie es auf nordamerikanischen Wii-Konsolen erschienen ist. Sprich: Weder der Genki Rockets-Song „Heavenly Star“ aus dem japanischen und europäischen Wii-Pendant noch die für die PS3-Fassung ergänzten Extra-Bosse aus No More Heroes 2 und zusätzlichen Minijobs sind hier mit dabei. Eine verpasste Chance, aber offen gestanden auch kein Beinbruch.
Fazit: Ich weiß noch, wie sehr ich damals dem Wii-Release von No More Heroes entgegenfieberte und das Spiel erst dann wieder aus der Hand legte, als ich alle Schwierigkeitsgrade bewältigt und Santa Destroy komplett auf den Kopf gestellt hatte. Es war für mich einer der großartigsten Action-Titel überhaupt. Heute stechen die offensichtlichen Schwächen wie die leere Stadt, die ständigen Geldsammelunterbrechungen und immergleichen Fahrstrecken leider bedeutend stärker heraus. Klar soll somit symbolisiert werden, wie wenig sich Travis für seine Umgebung interessiert und wo seine Prioritäten liegen, doch wirklich unterhaltsam ist das nicht. Die eigentlichen Hauptmissionen gleichen dieses Manko jedoch glücklicherweise gekonnt aus. Die einfachen Action-Level stimmen hervorragend auf die jeweiligen Bosse ein und beinahe jeder Rangkampf überzeugt durch einfallsreiche Designs, spannende Kniffe und – gerade auf den höheren Stufen – fordernde Duelle. Nicht zuletzt überzeugt No More Heroes auf audiovisueller Ebene: Sowohl der einmalige Soundtrack als auch die zwar etwas angestaubte, aber immer noch stilsichere Optik haben auch über zehn Jahre später nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Wie so vieles aus dem Hause Grasshopper Manufacture ist No More Heroes mit Sicherheit kein Spiel für die breite Masse, doch den Kultstatus hat der Titel nicht umsonst inne. Diesen abgefahrene Killer-Wettkampf sollte man zumindest einmal angespielt haben – auch auf der Switch.
Hat es eigentlich nicht so mit Blut: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de
Vielen Dank an Marvelous für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.
Der Rohdiamant unter den Action-Klassikern: Eine denkwürdige Boss-Parade mit überraschender narrativer Tiefe, aber auch reichlich langweiligem Spielzeitstreckmaterial. |
Wertung
Facettenreiche Bossriege
Unkomplizierter Action-Spaß…
…mit erzählerischem Tiefgang für aufmerksame Zocker
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Langweilige Open World
Eintönige Nebenjobs
Viel sinnfreies Herumgefahre
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Spielname:
No More Heroes
Typ:
eShop Spiel
Jetzt Bestellen:
Zum Shop
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Publisher:
Marvelous
Developer:
Grasshopper Manufacture/Engine Software
Genre:
Action
Release:
28.10.2020 (erschienen)
Multiplayer:
nicht vorhanden
Altersfreigabe:
Frei ab 18 Jahre
eShop Preis:
19,99 €
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Screenshots:
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