Review:
Chocobo GP
Erinnert ihr euch an Chocobo Racing 3D? Das war der lange überfällige Nachfolger von Chocobo Racing für die PS1, den Square Enix im Vorfeld des 3DS-Releases für die mobile Plattform ankündigte. Schlussendlich wurde er jedoch sang- und klanglos auf Eis gelegt. Nun, gute zehn Jahre später, wurde das Konzept wieder ausgegraben und ihm als Chocobo GP neue Form gegeben. Und da Mario Kart statt einer neuen Nummer lieber Download-Nachschub für den Switch-Megaseller Mario Kart 8 Deluxe raushaut, ist etwas frischer Wind im Funracer-Bereich nicht verkehrt. Dem knuddeligen Final Fantasy-Raser gelingt es in einigen Punkten auch, diese Ziele zu erreichen, legt sich in anderen Bereichen jedoch sowohl spielerisch als auch PR-mäßig Steine in den Weg.
Chocobo Kart
Wer mit Mario Kart vertraut ist, wird bei den grundlegenden Rennmechaniken von Chocobo GP sofort diverse Parallelen bemerken. Drei Runden lang rast ihr durch kunterbunte Kurse, die in Teilen Final Fantasy-Gebieten wie der verregneten Stadt Zozo aus Final Fantasy VI nachempfunden sind, und mogelt euch dabei sowohl mit euren Fahrkünsten als auch mit etwas Item-Hilfe an die Spitzenposition. Mit der R-Taste lässt sich dabei ein Drift einleiten, der je nach Zeitdauer der Schlitterei in einem stärkeren Boost resultiert, außerdem können an Rampen mit der selben Taste Tricks vollführt werden, die ebenfalls einen Schub verleihen. Blaue Kristallen dienen dazu, euer Tempo zu erhöhen und bis zu zehn von ihnen könnt ihr gleichzeitig bunkern – ganz wie die Münzen von Mario Kart. Rast ihr in die auf den Strecken verteilten Magie-Eier, erhaltet ihr einen zufälligen Maginiten – die Zaubersteine von Chocobo GP und somit effektiv die Items. Feuermagie schießt etwa einen Feuerball nach vorn oder hinten, während ihr mit Hast kurzzeitig schneller werdet oder per Todesurteil einem Kontrahenten mit einem kurzen Fahrstopp droht, wenn dieser den Sensenmann nicht per Sprungmarathon rechtzeitig abschütteln kann.
Der Clou bei den Maginiten: Ihr könnt zwar bis zu drei von ihnen gleichzeitig bunkern, effektiver ist dabei jedoch das Sammeln gleicher Zauberkräfte. Mit jedem weiteren Stein gleicher Natur wird der resultierende Spruch stärker. Aqua beginnt etwa als kleine Pfütze, wird auf Stufe 3 aber zu einer mächtigen Flutwelle, die mehrere Verfolger aufhält. Damit ihr von diesen Upgrade-Chancen auch fleißig Gebrauch machen könnt, bietet Chocobo GP drei Arten von Magie-Eiern. Bronzene Eier liefern euch einen zufälligen Zauber, Gold-Eier hingegen zwei Maginite der selben Gattung. Silber-Eier wiederum liefern euch ein weiteres Exemplar des Zaubers, den ihr bereits in eurem Inventar habt, und dient damit perfekt als Ergänzung. Auf diese Weise entfaltet die Itemschlacht hier eine ganz eigene Dynamik und spielt sich sogar entsprechend taktisch. Sammle ich unterschiedliche Maginite, um für verschiedene Situationen gewappnet zu sein? Oder lade ich den einen, den ich schon habe, für maximale Effektivität weiter auf? Gerade in hitzigeren Rennen kann dies zu spannenden Schlagabtauschen führen.
Zu guter Letzt verfügt jede Figur auch noch über eine eigene Spezialfähigkeit. Generell bieten diese in der Regel einen vorübergehenden Temposchub samt Lenkhilfe, dies jedoch mit einigen Extras. Ritter Adelbert Steiner schwingt etwa munter sein Schwert, um vor ihm fahrende Konkurrenten weitflächig aufzuhalten, während Schatzjäger-Mogry Atla sich an den Kristall-Vorräten seiner Mitbewerber bedient. Die für derartige Manöver notwendige Energie muss mit Kristallen oder Tricks aufgefüllt werden. Auch dies sorgt für mehr Tiefgang bei den sonst simpel aussehenden Rennen. Die Kombination aus konstantem Zauberregen und eingestreuten Spezialattacken hat jedoch auch einen Nachteil: Ihr werdet beinahe konstant das Warngeräusch für irgendwelche hinter euch befindlichen Projektile oder Attacken zu hören bekommen – und es ist kein angenehmes Geräusch.
Wünsch dir was
Es hat mit Final Fantasy zu tun, also gibt es in Chocobo GP auch einen Story-Modus. Dieser dient allerdings vielmehr als humorvoll aufgezogenes Tutorial und Freischaltmöglichkeit für so ziemlich alle ab Werk verbauten versteckten Charaktere und Fahrzeuge. Die Handlung an sich, die sich um ein Wettrennen dreht, bei dem der Siegerfigur ein Wunsch gewährt wird, dient mehr oder minder nur als Vehikel dafür, die illustre Schar an Charakteren der Chocobo-Spinoffs und Final Fantasy-Hauptspiele einigermaßen nachvollziehbar einzubinden und ein paar leicht verträgliche Kalauer zu bieten. Erzählt wird das alles in englischer Sprachausgabe zu deutschen Untertiteln, der japanische Originalton fehlt kurioserweise. Auch ist die Geschichte nicht sonderlich umfangreich und kann nach wenigen Stunden abgeschlossen werden – selbst die zweite Runde, die zum Freilegen der Extra-Fahrzeuge durchgezogen werden muss, verlängert die Spielzeit nicht großartig.
Als weitere Einzelspieler-Modi finden sich noch Zeitrennen, Serienrennen sowie eigens zusammengestellte Meisterschaften im Paket. Erstere beiden liefern euch bei erstmaligem Schlagen von Bestzeiten bzw. Erobern von Goldpokalen mit für den Shop notwendigen Tickets, letzterer Modus dient hingegen zum reinen Spaß an der Freude. Ärgerlich bei den Serienrennen: Die im Stile der Mario Kart-Cups aufgezogenen Wettkämpfe bieten zwar auf dem Papier mit satten zwölf Meisterschaften mit je vier Strecken reichlich Umfang, jedoch mangelt es Chocobo GP eindeutig an Strecken, um diese auch ohne Doppelungen und teils Dreifach-Wiederholungen zu füllen. Es gibt nämlich gerade mal neun Umgebungen, von denen viele immerhin verschiedene Kurskonfigurationen bieten – insgesamt kommt Squares Racer damit auf 21 Strecken. Dass dies weniger als die im Serienrennen durchfahrenen 48 sind, sollte auf der Hand liegen. Dadurch hat praktisch keines der Turniere einen wirklich eigenen Charakter und zwei aufeinanderfolgende im Speziellen überschneiden sich sogar dermaßen stark, dass lediglich eine der vier Strecken mit einem neuen Layout aufwartet, der Rest hingegen völlig identisch ist. Das ist schwach und sorgte zumindest bei mir dafür, dass mich die Serienrennen nicht nur ermüdeten, sondern ich sie nach Einstreichen der einmalig ausgezahlten Tickets mangels weiterer Belohnungen fürs Spielen komplett ignorierte.
Das große Wettrennen
Aber gut, das Herzstück von Chocobo GP soll ohnehin der titelgebende Spielmodus sein. Dabei handelt es sich um den ranglistengebundenen Online-Multiplayer, bei dem ihr mit Spielern aus der ganzen Welt wetteifert. Auf dem Papier spannend: Ihr steigt jedes Mal in ein mehrstufiges Mini-Turnier ein, bei dem die jeweils vier besten Spieler in die nächste Runde ziehen. Die anfangs 64 Raser werden also in vier Runden ausgesiebt, bis nur noch ein Sieger bleibt. Praktisch verbirgt sich dahinter jedoch nur Augenwischerei, da die Konkurrenten per Spielersuche mit jeder Stufe neu zusammengesucht werden. Das ist schade, auf der anderen Seite jedoch auch nachvollziehbar. Immerhin kann auf diese Weise trotz möglichem Spielerausfall aufgrund von Verbindungsverlust oder gezieltem Abbruch die Show weitergehen. Ich für meinen Teil hatte im Testzeitraum nur wenige Probleme mit der Verbindungsqualität, bin aber auch normalerweise das schwächste Glied einer jeden Online-Partie und kenne vermutlich nichts Besseres.
Die eingefahrenen Rangpunkte bestimmen übrigens nicht nur eure Position auf den Saison-Leaderboards, sondern dienen auch als Fortschrittsindikator für den Preispass. Und hier kommt Chocobo GP zum Element, für das es bereits reichlich Kritik hagelte: Obwohl es sich hier um ein Kaufspiel für rund 50 Euro handelt, bittet Square für diverse Dinge erneut zur Kasse. Wollt ihr etwa bedeutend mehr Gil für den Shop oder Anpassungsitems sowie saisonale Charaktere erhalten, müsst ihr den Premium-Pass erwerben. Für den Launch gibt Square „gnädigerweise“ noch die dafür notwendigen 800 Mithril an alle Spieler gratis raus, normalerweise müsst ihr dafür jedoch Echtgeld in Höhe von mindestens 8,99 Euro auf die virtuelle Theke legen. Abgesehen von aus Smartphone-Spielen gewohnten wöchentlichen Login-Boni (50 Mithril pro Woche) oder der gelegentlichen Güte von Square gibt es keine Möglichkeit, Mithril ohne Geldausgabe zu erhalten. Die aktuell laufende Saison bietet zwar noch nicht so viele Objekte zum Einkauf mit Mithril – lediglich Punktebooster, drei Chocobo-Kostüme, drei Musikstücke und einen Deko-Sticker – doch das dürfte sich über die Lebensspanne des Spiels hinweg ändern. Und spätestens dann wird der Spaß langsam teuer.
Stichwort Shop: Aufmerksame Naturen werden bemerkt haben, dass ich nebst Mithril zwei weitere Währungen erwähnte. Die Tickets sind die einzigen Objekte, die ihr rein durchs Spielen erbeutet – sei es durch das Sammeln von Kristallen während eines Rennen, das Abschließen von Story-Herausforderungen oder Bestehen von Serienrennen. Gewisse Charaktere und alle aus der Geschichte freischaltbaren Fahrzeuge müssen mit Tickets erworben werden, bevor ihr sie tatsächlich nutzen dürft. Ferner gibt es noch alternative Farbvarianten, eine kleine Auswahl an Stickern sowie Hauptmenü-Hintergründe zu erwerben. Ganz normaler Stoff also, auch wenn es auf Dauer mühsam wird, die dafür notwendigen Tickets zusammenzukratzen. Gil wiederum ist eine andere perfide Währung. Technisch gesehen könnt ihr sie nicht mit Echtgeld kaufen, sondern müsst sie euch erspielen. Praktisch zahlen die dafür zu erfüllenden täglichen und wöchentlichen Missionen dermaßen schlecht, dass man an anderer Stelle zum Zahlen gezwungen wird – nämlich für den Premium-Preispass. Dieser schüttet reichlich Gil aus und macht das Ansammeln der aktuell für Squall aus Final Fantasy VIII notwendigen 3.000 Gil zum Kinderspiel. Und da dessen Extra-Fahrzeuge je 9.000 Gil kosten und zu allem Überfluss der Gil-Shop sein Sortiment am Ende der Saison ändert, erklärt Square indirekt den Premium-Pass zum Pflichtkauf. Rein wirtschaftlich gesehen mag ich die Monetarisierung vielleicht noch einigermaßen nachvollziehen können, sofern im Gegenzug auch stetig neuer Content geliefert wird, doch die Holzhammer-Implementierung sowie die Tatsache, dass es sich hierbei um ein 50-Euro-Spiel mit einer mutmaßlich jüngeren Zielgruppe handelt, stößt bei mir nur auf verständnisloses Kopfschütteln.
Probelauf mit Wert
Bei einem kostenlosen Downloadspiel würde die Monetarisierung wenigstens nicht so aufgesetzt wirken. Tatsächlich gibt es sogar eine kostenlose Lite-Version von Chocobo GP, die jedoch massiv eingeschränkt ist. Solo-Content gibt es praktisch keinen, ihr dürft nur die allererste Story-Strecke befahren – und die ist eigentlich mehr grundlegendes Tutorial als tatsächlicher Rennspaß. Entsprechend müsst ihr mit nur drei der 24 spielbaren Charaktere auskommen und kommt an alternative Fahrzeuge gar nicht erst heran. Aber ihr dürft immerhin den Chocobo GP-Modus spielen und somit das zentrale Online-Erlebnis ohne vorherigen Kauf gründlich ausprobieren. Zudem besteht die Option, sich in eigens erstellte Online- oder lokale Drahtlospartien von anderen Spielern einzuklinken, dies aber eben mit den charaktertechnischen Einschränkungen der Lite-Ausgabe. Eine gute Möglichkeit, zumindest ein Gefühl für das allgemeine Spielerlebnis zu erhalten. Da ihr auf diese Weise jedoch bereits die eigentliche Hauptattraktion von Chocobo GP spielen dürft, müsst ihr entscheiden, ob euch die bedeutend größere Charakterauswahl das Upgrade für 50 Euro zuzüglich eventueller Mithril-Spesen auch wert ist.
Fazit: Der Zustand von Chocobo GP tut mir im Herzen weh. Eigentlich verbirgt sich hier nämlich ein sehr unterhaltsamer Funracer, der mit farbenfrohen Strecken, vielfältigen Charakteren und einem spannenden Item-System aufwartet. Bei mir kam wahre Freude auf, wann immer ich in Onlinepartien hitzige Zauberschlachten erlebte, bei denen alle Kontrahenten Maginite je nach Situation entweder für Upgrades bunkerten oder aus allen Rohren feuerten. Die charakterspezifischen Fähigkeiten sorgen zudem für ein bisschen zusätzliche Würze und entschieden in meinen Runden gern mal über Sieg oder Niederlage. Gepaart mit einem locker-flockigen Storymodus sowie massig Details für Final Fantasy-Fans hätte dies ein erstklassiges Rennspiel werden können … wenn da nicht das Monetarisierungsmodell wäre. Allein die Tatsache, dass man ohne Kauf des Premium-Preispasses nur mit extrem viel Mühe und nach mehreren Wochen (!) Laufzeit viele Dinge kaufen kann, ist schon schlimm genug. Der Mithril-Shop mit seinen eigenen Objekten, für die man mangels Erspielmöglichkeiten effektiv Echtgeld auf die Theke legen muss, setzt diesem noch die Krone auf. Zudem enttäuscht in Sachen Solo-Content das extrem eintönige Serienrennen, da für die zwölf Meisterschaften schlichtweg nicht genügend Strecken vorhanden sind. Schaut bei Interesse vielleicht erst einmal in die Lite-Version rein und überlegt, ob ihr zwecks der zusätzlichen Charaktere wirklich die Vollversion benötigt. Eventuell reicht euch der Hauptspielmodus allein ja bereits. Ich für meinen Teil habe durchaus meine Freude an dem kunterbunden Rennspaß, hätte ich mir schlussendlich selbst mit der Vollversion doch irgendwie mehr gewünscht.
Ritter Rost-am-Rad: Tjark Michael Wewetzer [Alanar] für PlanetSwitch.de
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Reviewcodes.
Kurzweiliges Rennvergnügen mit spannenden Ideen, allerdings auch relativ geringer Streckenvielfalt und einem fragwürdigen Monetarisierungsmodell. |
Wertung
FAHRVERHALTEN:
8.0
UMFANG:
5.0
MULTIPLAYER:
7.0
65 von 100
Einsteigerfreundliches Rennvergnügen
Spannendes Item-Taktieren
Vielfältiges Charakteraufgebot
Locker-lustiger Storymodus …
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Free-to-Play-mäßiges Monetarisierungs-Modell trotz 50 Euro Kaufpreis
Serienrennen ermüdet durch Streckenwiederholungen
… der sehr kurz ausfällt
Wenig Kursvariation
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Wie werten wir?
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Spielname:
Chocobo GP
Typ:
Switch-Spiel
Jetzt Bestellen:
Zum Shop
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Publisher:
Square Enix
Developer:
Arika
Genre:
Racing
Release:
10.03.2022 (erschienen)
Multiplayer:
1-2 Spieler, 1-8 online
Altersfreigabe:
Frei ab 6 Jahre
eShop Preis:
49,99 €
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Screenshots:
ANZEIGE:
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(Vollpreis UND Ingame purch bis zur Decke.. gehts noch SE?!)
Wie nahezu alles -nicht 2D- was Square Enix seit ca. 2010 raushaut.
Gut das M8K existiert...
Saftladen.